Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bad Säckingen (Kreis Waldshut)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Bad Säckingen 
bulletBerichte aus der jüdischen Geschichte in Bad Säckingen   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Bad Säckingen          
     
In Bad Säckingen lebten bereits im Mittelalter jüdische Personen. Ob es zur Bildung einer jüdischen Gemeinde kam, ist nicht bekannt. Erstmals werden die jüdischen Einwohner anlässlich ihrer Verfolgung während der Pestjahre 1348/49 genannt. Falls es danach wieder zu einer Neuansiedlung gekommen ist, blieb die Zahl der jüdischen Einwohner sicher sehr gering. Spätestens nach 1517 (Ausweisung) gab es keine jüdischen Personen mehr am Ort.   
 
Flurname: unklar ist, ob hinter der nördlich von Obersäckingen gelegene Flur "Judenmättle" eine Erinnerung an die jüdische Geschichte steht. Diese Flur wird bereits 1501 als "juden matt" genannt bzw. "Hasenrütti genannt juden matt"; 1721 Ausmarkung Hasenrütte zur Judenmatte.        

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1864 drei, 1875 sechs jüdische Einwohner, 1885 fünf, 1890 elf, 1895 13, 1900 17, 1905/19 16,1925 vier. Die jüdischen Gemeindeglieder gehörten seit 1895 der Gemeinde in Tiengen an.  
 
Um 1914 hatte Markus Bollag eine Druckerei in Bad Säckingen (siehe unten). Seit den 1920er-Jahren gab es im Eckhaus Steinbrückstraße/Rheinbadstraße das Modehaus von Simon Pikard (siehe weitere Informationen im Artikel über die Ausstellung 2014). Bis 1939 gehörte einer jüdischen Firma aus Zürich ein Webereibetrieb vor Ort (Lohnweberei).
 
1933 lebten sechs jüdische Personen in Säckingen, darunter weiterhin Simon Pikard (bis 1937/38 in seinem Haus). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. So emigrierte Simon Pikard in die Schweiz und führte in der Folgezeit ein Bekleidungsgeschäft in Aarau
 
  
Von den in Bad Säckingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): im Gedenkbuch wird Max Zickel genannt, geb. 1. Juli 1898 in Berlin, wohnhaft in Säckingen und Berlin, 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet (Todesdatum 24. Januar 1944); außerdem wird Werner Weinberg genannt, geb. 27. Mai 1924 in Berlin, wohnhaft in Berlin (Kreuzberg), starb durch Suizid am 20. August 1944 in Säckingen.    
    
    
    
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Bad Säckingen     
        
Ausstellung zum jüdischen Leben in Bad Säckingen (2014)     
   

Artikel von Peter Ch. Müller in der "Badischen Zeitung" vom 15. August 2014: "Spurensuche jüdischen Lebens. Viele Fragen rund um die Ausstellung "Stadt unterm Hakenkreuz" / In Bad Säckingen gab es nie eine Synagoge.
BAD SÄCKINGEN.
Anlässlich der Ausstellung 'Stadt unterm Hakenkreuz' im Haus Fischerzunft werden die Veranstalter mit Fragen zum Thema Juden in Säckingen zwischen 1933 und 1945 konfrontiert: Wie viele Juden lebten hier und was ist über ihre Schicksale bekannt? Gab es Ausschreitungen gegen sie? In Säckingen stand dieses Thema nie im Mittelpunkt. Der Grund dafür: In Säckingen lebten nur vereinzelt Juden; auch vor 1933 war das der Fall. Die historischen Hintergründe erläutert das 1968 erschienene Buch 'Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale'. Die Autoren Franz Hundsnurscher und Gerhard Taddey recherchierten nicht nur in den deutschen Archiven. Sie bekamen Material von mehreren ausländischen Forschungsstätten, darunter vom Leo Baeck-Institut in New York und Institut Yad Washem in Jerusalem. In dem Standardwerk von Hundsnurscher/Taddey findet man Hinweise auf die Juden in Säckingen.
Die älteste Erwähnung betrifft ihre Verfolgung während der Pestjahre 1348/49. Danach gab es nur sporadisch Juden in Säckingen. Man hatte sie vermutlich spätestens 1517 ausgewiesen. Deutlich verbessert hatte sich die Lage der Juden am Hochrhein nach 1806. Das junge Großherzogtum Baden bemühte sich um Gleichberechtigung mit den christlichen Kirchen. Aber erst 1862 trat das Gesetz über die bürgerliche Gleichstellung der Israeliten in Baden in Kraft.
Damals zählte Baden 1,36 Millionen Einwohner; 24 000 davon waren Juden. In Säckingen lebten im Jahr 1875 nur sechs Juden, 1900 stieg ihre Zahl auf 17 und sank 1925 auf vier. Eine jüdische Gemeinde oder Synagoge gab es in Säckingen nie. Die hiesigen Juden gehörten seit 1895 der Gemeinde in Tiengen an. Tiengen war nicht vorderösterreichisch. Es stand seit 1687 unter der Herrschaft der judenfreundlichen Fürsten von Schwarzenberg. Der Anteil der Juden unter den Einwohnern Tiengens lag im Jahr 1825 bei knapp zwölf Prozent. Sie besaßen seit 1793 eine Synagoge und einen eigenen Friedhof. Zudem stand zwischen 1830 und 1876 den Juden in Tiengen eine eigene Volksschule zur Verfügung. Eine größere jüdische Gemeinde existierte in Lörrach, das ebenso nicht vorderösterreichisch war, sondern markgräflich. Für Säckingen brachte die Volkszählung vom 18. Juni 1933 folgendes Ergebnis: Unter den 5385 Einwohnern gab es 4224 Katholiken, 994 Protestanten, 105 Altkatholiken, sechs Israeliten und 56 Sonstige. Von diesen sechs Israeliten weiß man Näheres nur über Simon Pikard.
Er besaß im Eckhaus Steinbrückstraße und Rheinbrückstraße ein Bekleidungsgeschäft. Bis 1937/38 wohnte er auch in diesem Gebäude. Der jüdische Geschäftsmann erwarb sich ein hohes Ansehen. Als am 1. April 1933 ab zehn Uhr in ganz Deutschland ein Boykott gegen jüdische Geschäfte, Rechtsanwälte und Ärzte von der NSDAP durchgeführt wurde, fand in Säckingen keine Aktion statt. Darüber meldete am 31. März 1933 die Zeitung 'Hochrheinisches Volksblatt': 'Wie wir erfahren, wird sich der Boykott der Nationalsozialisten am morgigen Samstag nicht auf die hiesige Firma Pikard ausdehnen. Die große Liebestätigkeit der genannten Firma gegen notleidende Volksgenossen und die ansehnlichen Spenden zusammen mit dem untadeligen Geschäftsgebaren werden auch von den Nationalsozialisten anerkannt.'
Aber der Judenhass machte sich auch in Säckingen bemerkbar. Darüber berichtet eine mündliche Überlieferung des Vaters von Werner Rauscher aus der Zeit 1937/38. Demnach wurde Pikard in seinem Stammlokal 'Trompeter von Säckingen' (Basler Straße) verbal angegriffen. Der Schmied Siebold, ein Hüne von Mann, legte die für großgewachsene Männer typische Gelassenheit an den Tag und beschützte den eingeschüchterten Pikard, indem er ihn auf dem Nachhauseweg begleitete. Daraufhin wurde Siebold von dem NS-Organ 'Der Alemanne. Kampfblatt der Nationalsozialisten Oberbadens' als Judenknecht beschimpft. Nach diesem Vorfall flüchtete Simon Pikard in die Schweiz, wo sich seine Familienangehörigen bereits befanden und gründete in Aarau ein Bekleidungsgeschäft. An Silvester 1951 begegnete ihm Werner Rauscher im 'Löwen' in Todtmoos zum letzten Mal. Nach dem Krieg blieb Pikard in der Schweiz, mit den Inhabern seines früheren Geschäfts in Säckingen einigte er sich außergerichtlich.
Aber die Säckinger Verhältnisse als Beispiel für die Lage der Juden in Deutschland in Betracht zu ziehen, wäre absolut verfehlt. Am 22. Oktober 1940 wurden 6500 badische und pfälzische Juden nach Südfrankreich deportiert, 'von der Bevölkerung kaum wahrgenommen', stellte der Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich fest. Die 'Bilanz' der nationalsozialistischen Herrschaft war grausam: Durch Massenerschießungen, Massenvergasungen und Hunger starben fünf bis sechs Millionen Juden.
Die Ausstellung 'Stadt unterm Hakenkreuz. Säckingen 1933-1945' ist bis zum 14. September, sonntags 11 bis 17 Uhr, im Haus Fischerzunft, Fischergasse 12, in Bad Säckingen, zu sehen."  

     
    
    
Fotos

Modehaus Simon Pikard
(Quelle: Stadtarchiv Bad Säckingen) 
 
  Das Geschäft von Simon Pikard befand sich im Eckhaus Steinbrückstraße/Rheinbadstraße  
     
 Karte aus der Druckerei von Markus Bollag (1914)
(erhalten von David Bollag, Los Angeles) 
   
   Die Karte aus der Druckerei von Markus Bollag in Säckingen enthält ein Gedicht von ihm über Bad Säckingen:
"Säckingen am Rhein.
Es grüßt mich ein Städtchen, romantisch am Rhein, Am Fuße des Schwarzwalds, so duftig und fein,
So bieder und eigen, so friedlich und traut, Ich habe kein schöneres Bild noch geschaut!
Ich stimme die Saiten, die Seele erglüht, Und fasse die Töne des Herzens zum Lied.
Der Kranz deiner Tannen das Auge erbaut, Ich habe kein schöneres Bild noch geschaut!
Ich wieg' mich im Zauber, in stärkender Luft, Genieße die Quelle, den würzigen Duft.
Aus himmlischen Höhen der Segen ersprieß, Kein schöneres Bild an dem Rheine mich grüßt! Markus Bollag - Säckingen". 
Die Karte wurde am 8. Juni 1914 aus Säckingen an Frl. Mariechen Otto in Ellefeld im Vogtland geschickt.  
   

    

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Bad Säckingen     

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,2 S. 728.
bulletFranz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden. 1968. S. 275.
bulletJakob Toury: Jüdische Textilunternehmer. 1984 S. 95-97. 

   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 15. Oktober 2013