Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Egloffstein (Marktgemeinde, Kreis Forchheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
Aktuelle Fotos und Bericht von der Eröffnung des "Kulturweges Egloffstein" am 15. Juni 2008   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde              
    
In dem ehemals rein ritterschaftlichen Ort Egloffstein bestand im 18./19. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde. Ihr Entstehung geht in die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück. 1728 lebten bereits mehrere jüdische Familien am Ort - auf sechs Anwesen verteilt. In den 1790er-Jahren hatten vier jüdische Familien einen Schutzbrief der Freiherren von und zu Egloffstein. 1810 lebten fünf jüdische Familien am Ort, 1813 waren es acht Familien. Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1834 mit 30 Personen erreicht (16 männliche, 14 weibliche). 1840 wurden 27 jüdische Einwohner gezählt, 1852 noch 17. 1865 waren noch drei Familien am Ort, 1875 neun jüdische Personen, 1890 nur noch zwei.  
  
An jüdischen Familien bzw. gewerbetreibenden Einzelpersonen werden 1822 genannt: Loeb Isaak Teufel (Handel mit Altkleidern, Not- und Schacherhandel), Loeb Salomon Kohnfelder (Schnittwarenhandel) Moses Salomon Kohnfelder (Spezerei- und Schnittwarenhandel), Moses Joseph Mühlhauser (Kram-/Spezereiladen), Lea Rauh (lebte von Handarbeiten, Stricken und Nähen), Abraham Selig Rauh (Handel mit Geißen), Charlotte Steinberger (Handel mit Schnittwaren und alten Kleidern), Moses Abraham Steinberger (Schmusen auf Viehmärkten, Handel mit alten Kleidern und Schnittwaren), Jette Tregner (Handel mit Schnittwaren), Moritz Kohnfelder (Handel mit Landesprodukten), Moses Abraham Steinhard (Vieh- und Schnittwarenhausierhandel). Die jüdischen Familien lebten überwiegend in armseligen Verhältnissen.  
  
An Einrichtungen hatte die kleine Gemeinde eine "Judenschule" (Synagoge, s.u.) in einem der jüdischen Häuser, in dem auch der Unterricht der jüdischen Kinder abgehalten wurde. Ein rituelles Bad (Mikwe) befand sich auf dem Grundstück mit der Flur-Nr. 63 1/2 und ist im Grundsteuerkataster von 1848 als 'Judenduckplatz' eingetragen (Groiss-Lau S. 186). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Pretzfeld, später auch in Hagenbach beigesetzt. Spätestens seit 1838 gehörte die Gemeinde zum Distriktrabbinat Hagenbach
  
1865 gab es Bemühungen von Seiten des Distriktrabbinates Hagenbach, die Gemeinde Egloffstein mit der Gemeinde in Wannbach zusammenzulegen. Trotz des Einspruches der noch am Ort lebenden jüdischen Familien, da der Weg nach Wannbach "über zwei Poststunden" betrage, wurde am 2. Februar 1866 die Zusammenlegung mit Wannbach beschlossen. 
   
Auch nach dem Wegzug der jüdischen Familien blieben sie im Ort noch jahrzehntelang in guter Erinnerung, da die inzwischen in Fürth lebende Frau Jeanette Kohnfelder aus Egloffstein mit ihrem Testament vom 4. September 1888 der Gemeinde Egloffstein eine beträchtliche Kapitalstiftung zur Armenpflege machte. Bis zur Inflationszeit fielen bedeutende Erträge aus der Stiftung den (christlichen) Ortsarmen zu. 
  
Von den in Egloffstein geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen ist in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Mathilde Ochs geb. Kohnfelder (geb. 1875 in Egloffstein, später wohnhaft in Eisenach, deportiert über Leipzig am 20. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt, dort umgekommen am 5. Mai 1943).    
   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge                 
   
Ein Betsaal (Synagoge) wie auch ein Unterrichtssaal war in einem der jüdischen Häuser vorhanden. Die jüdische Gemeinde hatte nach einem Bericht von 1808 die Erlaubnis, in "Männlein Juden Wittibs Haus Schule zu halten", d.h. die Synagoge war im Haus der Witwe des Juden Männlein. Im Pfarrbuch der Gemeinde Egloffstein wird für 1845 berichtet: ""4 Juden in Egloffstein haben eine Synagoge". Der Betsaal befand sich im Erdgeschoss des Hauses, das aus einem Raum bestand.
    
1866 war die Synagoge nach Angaben der jüdischen Gemeindevertreter inzwischen in einem "ruinös gewordenen Zustand". 300 Gulden wurden für eine Reparatur veranschlagt. Da allerdings noch eine Schuldenlast von 150 Gulden auf dem Gebäude lag, konnten sich die drei jüdischen Familien nicht mehr zu einer Reparatur entschließen. Das Gebäude wurde wenig später an Privatpersonen verkauft und seitdem überwiegend als Wohnhaus genutzt. Zeitweise (1900-1914 war ein privater Kindergarten im Raum der ehemaligen Synagoge). Bis 1939/40 war die Toranische noch erkennbar. Damals erfolgte ein erneuter Besitzerwechsel und ein Umbau des bis dahin einräumigen Erdgeschosses.  
  
  
Adresse/Standort der SynagogeMalerwinkel 89.  
  
  
Fotos     

Historische Aufnahmen
(Quelle: K. Guth s.Lit. S. 150)
Egloffstein Synagoge 100.jpg (83343 Byte) Egloffstein Synagoge 101.jpg (85827 Byte)
  Das Gebäude der ehemaligen Synagoge, die sich im
 Erdgeschoss befand (Toranische noch leicht 
zwischen den Fenstern erkennbar) - Foto von 1939 
Das Gebäude der ehemaligen 
Synagoge (rechts unter der 
Burg Egloffstein) - Foto von 1955
          
         

Aktuelle Fotos und Bericht von der Eröffnung des "Kulturweges Egloffstein" am 15. Juni 2008  
    
(Fotos, Bericht und Informationsblatt erhalten von Michael Wirth, Vorstand des Fremdenverkehrsvereins Egloffstein)   
    
Die Universität Erlangen/Nürnberg hat im Auftrag der Gemeinde Egloffstein im Jahr 2003/04 unter der Leitung von Prof. Dr. Werner Bätzing und Dr. Andreas Otto Weber einen sogenannten "Kulturweg Egloffstein" erarbeitet. In den folgenden Jahren wurden im Ort Egloffstein und den eingemeindeten Ortsteilen etwa 60 Tafeln mit Informationen zur Geschichte der Gemeinde aufgestellt. Unter anderem auch eine Tafel an der ehemaligen Synagoge. Am 15. Juni 2008 wurde dieser aus 5 Teilwegen bestehende Kulturweg offiziell eröffnet. Im Rahmen dieses Tages hat der Fremdenverkehrsverein Egloffstein u.U. e.V. ein buntes Straßenfest inszeniert. An 34 Stationen im Ort wurden Aktionen angeboten (Bogenschießen, Wäschewaschen wie früher am Waschbrunnen, Führungen durch die historischen Felsenkeller, die Burg, das Mühlenmuseum usw.) Eine Station war auch die Synagoge. Hier wurden Fragen zum Judentum beantwortet, und Ausstellungsstücke aus dem jüdischen Leben gezeigt.      

    
Egloffstein Kulturweg 102.jpg (100030 Byte) Egloffstein Kulturweg 100.jpg (103815 Byte) Egloffstein Kulturweg 101.jpg (105215 Byte)
Blick zum Gebäude der
 ehemaligen Synagoge 
  
Beim Gebäude der ehemaligen Synagoge wurden Ausstellungsstücke aus dem 
jüdischen Leben gezeigt, u.a. Menora (siebenarmiger Leuchter), Kippa, 
Tallit (Gebetsschal), Modell einer Synagoge  
        

Egloffstein Kulturweg 103.jpg (102576 Byte)Text der Hinweistafel an der Synagoge: "Die ehemalige Synagoge. Seit dem frühen Mittelalter lebten Juden auch in Franken. Erstmals 1298 kommt es in Ostfranken zu Verfolgungen, (Pogrome) besonders in den Städten. Die Juden beginnen sich von Städten abzuwenden und in Dörfern und Märkten anzusiedeln. Nachdem 1349 in Nürnberg eine blutige Judenverfolgung auch das jüdische Stadtviertel (heutiger Hauptmarkt) zerstört hatte, boten die Herren von Schlüsselberg (Burg Neideck) den Überlebenden Schutz in ihren Orten. Damit wird erstmals die Funktion des Adels als Schutzmacht über die Juden in der Region sichtbar.  
1548 übertrug Kaiser Karl V. in der sogenannten 'Reichspoliceyordnung' der Reichsritterschaft das Judenschutzrecht. Dieses bot den Rittern die Möglichkeit, Juden aufzunehmen und von ihnen Steuern und andere Abgaben zu erheben. Diese bald beträchtlichen Einnahmemöglichkeiten führten auch dazu, dass es in vielen reichsritterschaftlichen Siedlungen zu einer Politik der Judenansiedlung kam. So findet man noch heute in vielen ehemals reichsritterschaftlichen Orten Spuren von vergangenem jüdischen Leben. 
In Egloffstein sind jüdische Einwohner erst nach dem Dreißigjährigen Krieg nachweisbar, während in anderen Egloffstein'schen Orten schon früher Juden lebten. Im Urbar des Rittergutes Egloffstein von 1728 sind sechs Anwesen mit Juden genannt. Sie lebten in erster Linie von Vieh- und Hausierhandel. Auch in Egloffstein finden wir eine starke Abwanderung der Juden in die aufblühenden Industriestädte wie Fürth oder nach Amerika, bis im Jahr 1890 die letzten Juden Egloffstein verließen. 
Bis 1798 fand der Gottesdienst in Privathäusern statt, dann in der schlichten, baulich unauffälligen Synagoge. Das auch 'Judenschul' genannte Gotteshaus war gleichzeitig Wohnung des Rabbiners und Religionsschule. Bis 1940 konnte man an der Giebelseite noch die Thoranische erkennen. Angesichts der Abwanderung der Juden aus Egloffstein wurde die Synagoge bereits 1866 wieder verkauft. Das rituelle jüdische Bad, die 'Mikwe', lag weiter oben im Markt unter Haus Nr. 44 und ist heute verfallen. Einen eigenen Judenfriedhof besaß Egloffstein nie. Bis 1737 wurden die Egloffsteiner Juden in Pretzfeld und danach in Hagenbach begraben." 

        

Egloffstein Tropfhaeuser 100.jpg (118951 Byte)Text der Hinweistafel am Eingang der ehemaligen "Judengasse" (Aufgang Burgsteig) - (Foto: Jürgen Hanke, Kronach, Aufnahme vo  4.7.2009: "Tropfhäuser. Die sogenannten 'Tropfhäuser' sind in Egloffstein besonders häufig anzutreffen. Sie sind typisch für die reichsritterschaftliche Dorfentwicklung, die besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg darauf abzielte, möglichst viele Handwerker und Gewerbetreibende in den Rittergütern anzusiedeln. Es handelt sich um Klein- bzw. Kleinstanwesen mit einem verschwindend geringen Grundbesitz. Der Begriff 'Tropfhaus' leitet sich davon ab, dass die Eigentümer eines Grundstück nur so viel Land haben, wie unter den Tropf, also die Regenrinne passt. Die Redensart vom 'armen Tropf' lässt sich ebenfalls so erklären.    
Alleine vier dieser kleinen Tropfhäuser liegen in der Gasse vor uns nebeneinander. Die Gasse wurde früher Judengasse genannt, da hier - v.a. im 19. Jahrhundert - jüdische Einwohner Egloffsteins wohnten. Aber diese wohnten nicht für sich, sondern neben den anderen Einwohnern Egloffsteins, die auch nur Tropfhäuser hatten. Typisch für die Tropfhäuser war zudem, dass die Bewohner sehr oft wechselten.   
1848 finden wir in den vier nebeneinanderliegenden Tropfhäusern der vor uns in dieser Gasse die Witwe des Jakob Tuchner (geborene Kohnfelder), daneben Johann Albert, daneben Löw Salomon Kohnfelder und daneben Johann Hübschmann. Die Namen lassen also deutlich die gemischten Wohnverhältnisse zwischen Juden und Christen erkennen..."    

     
            
Egloffstein Kulturweg 106.jpg (104364 Byte) Egloffstein Kulturweg 104.jpg (165708 Byte) Egloffstein Kulturweg 105.jpg (176665 Byte)
Flyer mit Informationen und Karte zum Tag der Eröffnung des "Kulturweges Egloffstein" am 15. Juni 2008
     
Das Gebäude der ehemaligen Mikwe 
(Haus Nr. 44)
(Foto: Jürgen Hanke, Kronach)
Egloffstein Mikwe 100.jpg (54403 Byte)  
Die noch in dem Gebäude befindliche Mikwe ist in einem verfallenen Zustand   

   
    

Links und Literatur

Links:

bulletWebsite der Gemeinde Egloffstein, hier auch Informationen zum "Kulturweg Egloffstein" mit Beschreibung der Stationen und Flyer
bulletDieselben Informationen über die Website www.trubachtal.com  
bulletHartmut Heller / Herbert Popp: Kulturlandschaftliche Relikte jüdischen Lebens in der Fränkischen Schweiz. Erstellt 09/2019.  http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/81_e_504-kulturlandschaftliche-relikte-juedischen-lebens-in-der-fraenkis.../   

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 203.
bulletKlaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. zu Egloffstein S. 144-152.  (mit weiteren Quellenangaben). 
bulletEva Groiss-Lau: Jüdisches Kulturgut auf dem Land. München / Berlin 1995 (zur Mikwe S. 186).
bulletForchheimer Land T01.jpg (37188 Byte)Georg Knörlein: Jüdisches Leben im Forchheimer Land.  Verlag Medien und Dialog. Haigerloch 1998. S. 7.   

    
     

                   
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Stand: 30. Juni 2020