Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Heddernheim (Stadt Frankfurt am Main)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Beiträge zur Geschichte der Juden in Heddernheim   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
Links und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)      
    
In Heddernheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück, doch lebten schon im Mittelalter Juden im Ort und der Umgebung (der alte Friedhof geht auf das 14. Jahrhundert zurück). Mitte des 16. Jahrhunderts bestand eine jüdische Druckerei am Ort. Chajim ben David Schwarz druckte hier unter anderem den Kommentar des Naftali Hirz ben Elieser Treves zu Bechais Bibelerklärungen (Bechai = Bachja ben Ascher war ein kabbalistischer Bibelexeget im mittelalterlichen Spanien, gest. um 1340 in Saragossa). Im Dreißigjährigen Krieg (1626) flohen viele der jüdischen Familien nach Frankfurt.
 
Die jüdischen Familien lebten bis zur Mitte des 19. Jahrhundert überwiegend in sehr armseligen Verhältnissen. Die zahlreichen Abgaben, die sie an den Landesherrn - im 18. Jahrhundert der Dompropst zu Mainz - zu bezahlen hatten, waren der Hauptgrund für diese Situation. 1779 war etwa ein Drittel der jüdischen Familien auf Grund ihrer Armut von der Zahlung von Abgaben befreit. Im 17./18. Jahrhundert bestand jedoch bereits ein lebendiges jüdisches Gemeindeleben. 1657 starb in Heddernheim der gelehrte Vorbeter Shimeon ben Meir, der in Friedberg, Heddernheim und in anderen Orten tätig war. Einer der jüdischen Lehrer im 18. Jahrhundert war (1749-1765) Schmul Offenbach, der Großvater des Komponisten Jacques Offenbach (vgl. Artikel unten). Ein bedeutender Gelehrter war Mendel Lilg: er war Lehrer am Beth Hamidrasch in Frankfurt und bis zu seinem Tod im Jahr 1790 Rabbiner in Heddernheim. Offenbar hatte Heddernheim - zumindest bis Anfang des 19. Jahrhunderts - meist einen eigenen Rabbiner.
 
Um 1800 lebten die jüdischen Familien fast ausschließlich vom Handel mit Ellenwaren, Textilien, Eisen, Schnüren, Papier und anderen Waren, also vom Klein-, Hausier- und Trödelhandel, um 1820 waren einige jüngere Juden in Frankfurt als Handwerksgesellen beschäftigt. Noch um 1840 trieben 7/8 der Heddernheimer Juden in Frankfurt Handel, seitdem veränderte sich - auch auf Grund neuer gesetzlicher Voraussetzungen seitdem die Berufstruktur der Heddernheimer Juden. Um 1850 werden mehrere Handwerker wie Schneider, Schuster, Buchbinder, Hutmacher, ein Schlosser genannt. 
 
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt: 1815 68 jüdische Familien, 1840 354 jüdische Einwohner (24,0 % von insgesamt 1.471 Einwohnern; damals war Heddernheim mit etwa 70 bis 80 jüdischen Familien die größte jüdische Gemeinde im Herzogtum Nassau), 1843 Höchstzahl von 357, 1860 230, 1871 115 (4,8 % von 2.412), 1885 66 (2,3 % von 2.847), 1895 69 (1,9 % von 3.701), 1905 62 (1,2 % von 5.117). 
  
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungstexte von 1871 und 1875). Die Lehrer wechselten relativ häufig: aus dem 19. Jahrhundert sind die Namen von mindestens 15 jüdischen Lehrern bekannt, u.a. Lehrer Löwenstein (siehe Bericht zum Tod seiner Frau 1844 unten), zuletzt von Markus Weinmann (1876-1882) und von Meir Stern (1882-1916). Die Gemeinde gehörte - auch nach der kommunalen Eingemeindung nach Frankfurt 1910, weiterhin zum Rabbinatsbezirk Wiesbaden.  
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Heinrich Flörsheim (geb. 28.8.1898 in Heddernheim, gef. 3.3.1917). 

Heddernheim Ort 010.jpg (87866 Byte)Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten jüdischen Gewerbetreibenden einige für das wirtschaftliche Leben am Ort nicht unbedeutende Handlungen und Läden. Bis nach 1933 bestanden das Kaufhaus von S. Simon mit seinem Angebot in Kurz-, Weiß-, Wollwaren und Manufakturwaren u.a.m. (siehe Anzeige links) und die Metzgerei von Max May (Heddernheimer Landstraße). Dr. Ludwig Goldberg war ein beliebter Arzt, zu dem fast alle Heddernheimer in Behandlung kamen.
 
 
  
Um 1924, als 52 jüdische Einwohner gezählt wurden (0,8 % von etwa 6.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Julius May, Sigmund Simon und Max Schwelm. 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde Dr. Kirschner (1. Vors.), Prof. Dr. Schaumberger (2. Vors.) und S. Stern (3. Vors.). Inzwischen war Niederursel der Gemeinde Heddernheim angeschlossen wurden. Religionsunterricht wurde damals 11 jüdischen Kindern in Heddernheim erteilt. Einen eigenen Lehrer beziehungsweise Kultusbeamten hatte die Gemeinde allerdings bereits seit 1916 (nach dem Weggang von Meir Stern) nicht mehr. An jüdischen Wohlfahrtspflegeeinrichtungen bestanden die Israelitische Männerkrankenkasse, die Israelitische Frauenkrankenkasse und die Sterbekasse.
  
1933 lebten 132 jüdische Personen in Heddernheim. Die Zahl der jüdischen Einwohner war durch das Entstehen von Frankfurt-Römerstadt auf Heddernheimer Gemarkung wieder angewachsen.
In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert (Südamerika, Palästina, England, USA). Beim Novemberpogrom 1938 kamen von Eschersheim aus eine Gruppe NSDAP- beziehungsweise DAF-Angehörige nach Heddernheim. Zunächst wurde die Metzgerei May demoliert, danach die Synagoge geschändet und verwüstet (siehe unten). Einige Zeit später mussten die in Heddernheim noch lebenden jüdischen Einwohner in einige "Judenhäuser" zusammenziehen (u.a. Domitianstraße 4 und Alt-Heddernheim 33, das ehemalige Wohnhaus des jüdischen Lehrers). Zwischen 1941 und 1943 wurden die letzten in Heddernheim lebenden jüdischen Personen deportiert.
  
Von den in Heddernheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach dem Gedenkbuch für die Opfer der Verfolgung; in den Listen von Yad Vashem, Jerusalem kann nicht recherchiert werden, da bei Eingabe des Namens Heddernheim die Namen der Frankfurter Shoa-Opfer angezeigt werden): Ida Flörsheim geb. May (1874), Isidor Flörsheim (1870), Hermann Goldschmidt (1865), Ida Lion geb. Goldschmidt (1895), Julius Lion (1892), Bertha Schwelm geb. Stern (1888), Hildegard Schwelm (1921), Max Schwelm (1925), Helene Stern geb. May (1902), Siegfried Stern (1890), Fanny Steiner geb. Goldschmidt (1859), Alice Gottlieb, weitere Namen in der Liste der "Stolpersteine"
    
Zur Erinnerung an Opfer des Holocaust aus Heddernheim erinnern an verschiedenen Stellen im Stadtteil "Stolpersteine": 
im Oktober 2006, Oktober 2009 und November 2010 wurden "Stolpersteine" verlegt in der Kastellstraße 10 für Ida Flörsheim geb. May (1874) und Isidor Flörsheim (1870), in der Habelstraße 8 für Hermann Goldschmidt (1865) und Fanny Steiner geb. Goldschmidt (1859), in der Brühlstraße 15 für Alice Gottlieb (1918) und Jenny Gottlieb (1883), in Alt Heddernheim 33 (vor dem Grundstück der ehemaligen Synagoge) für Berta Schwelm geb. Stern (1888), Hildegard Schwelm (1921), Max Schwelm (1885), Helene Stern geb. May (1902) und Siegfried Stern (1890); im Bereich Römerstadt: An der Ringmauer 62 für Fritz Baumann (1901), in der Mithrasstr. 82 für Alice Bohrmann geb. Isaak (1887) und Richard Bohrmann (1881), in der Hadrianstraße 15 für Alfred Goldschmidt (1880) und Helene Goldschmidt geb. Mansbach (1883), in der Mithrasstraße 5 für Adolf Jakob (1870) und für Anna Jakob geb. Schwarz (1876), Im Burgfeld 153 für Jenny Loeb (1874), In der Römerstadt 205 für Kaethe Siemenauer (1898).   
Im November 2013 wurden "Stolpersteine" verlegt in Alt-Heddernheim 33 für Isidor Stern und Martha Stern, in der Heddernheimer Landstraße 32 für Siegmund Simon und Johanna Simon geb. Oppenheimer, in der Domitianstraße 4 für Max Goldschmidt und Erna Goldschmidt; im Bereich Römerstadt: An der Ringmauer 1 für Lore und Karl Berentzen, Am Forum 3 für Ludwig Rothenberger, An der Ringmauer 134 für Emma und Heinrich Fabisch, Im Burgfeld 6 für Kurt Leo Höxter.  
Im November 2016 wurden "Stolpersteine" verlegt in der Nistergasse 5 für Johanna Richard und Louis Richard, in Alt Heddernheim 63 für Karl Salomon, in der Hessestraße 30 für Felix Seelig und Friedel Seelig, in Heidenfeld 18 für Elisabeth Saalfeld.  
Link: Übersichtsseite mit weiteren Informationen über die "Stolpersteine in Heddernheim" dazu Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Frankfurt-Heddernheim.   
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
     
Allgemeine Beiträge zur Geschichte der Juden in Heddernheim  
Rabbiner Dr. Leopold Löwenstein: "Die Juden in Heddernheim"   

Heddernheim Israelit 02031922.jpg (208680 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1922: "Die Juden in Heddernheim. Von Rabbiner Dr. Löwenstein in Mosbach. In Nr. 26 dieses Blattes wurden Notizen über die Juden in Heddernheim veröffentlicht (sc. Löwenstein meint den unten wiedergegebenen Artikel über die den Großvater von Jacques Offenbach). Es dürfte die Leser des 'Israelit' interessieren, noch einiges Andere hierüber zu hören.
Zunächst sei erwähnt, dass 1546 in Heddernheim (Heddernum oder Hiddernum) eine jüdische Druckerei errichtet wurde, aus der jedoch nur zwei Druckwerke hervorgingen und zwar Neftulei... (= Lucatationes ex Gen. XXX,8, ein kabbalistischer Kommentar über Bechai in Pentateuchum) von Naftali Herz ben Elieser Treves, Vorbeter aus Frankfurt am Main, ein Büchlein, das kabbalistische Bemerkungen zu Bechais Bibelerklärungen nebst Inhaltsverzeichnis enthält; das andere Druckwerk ist eine Selichotausgabe nach deutschem Ritus. Die Drucker waren Chappim ben David Schwarz, sein gelehrter Schwiegersohn Joseph ben Jakar und sein Sohn Joseph. Nach dem Berichte von Schudt (sc. Johann Jacob Schudt: Jüdische Merckwürdigkeiten. Frnakfurt 1715 I, 581) soll diese Druckerei noch längere Zeit bestanden haben, jedoch seien viele dort gedruckte Bücher durch den großen Brand in Frankfurt am Main 1711 vernichtet worden. In Heddernheim ergänzte 1595 Juda ben Joseph ha Levi für Rabbi Elia Loanz die von diesem gefertigte Abschrift des Amudei Schlomo von Rabbi Salomo Lurie, eines Kommentars zum SM"G, der 1599/1600 mit Ergänzungen durch Rabbi Elia Loanz in Basel gedruckt wurde; vgl. Neubauer, Catalogue 868, wo das Datum der Abschrift ungenau ist, da in dem angegebenen Jahre der 27. Adar auf Mittwoch fiel. 
Nach Dietz (Stammbuch der Frankfurter Juden) flüchteten 1626 die Juden von Heddernheim nach Frankfurt, wo sie in kleinerer Anzahl wohnten. Dietz erwähnt einen Moses ben Jekusiel aus Heddernheim, der 1691 in Frankfurt starb, sowie einen Jakob H. aus dem Jahre 1716. Hier wurde 1780 Löb Erlanger geboren, der 1816 nach Frankfurt übersiedelte und Stammvater der gleichnamigen geadelten Familie wurde.
Von Heddernheim stammte Jakob ben Meschullam Weil, genannt Jakob Bachur, der das Sefer Jeschuot uNehemot über die künftige Erlösung in jüdisch-deutscher Sprache zusammenstellte; es erschien gedruckt in Hanau 1620, Amsterdam 1649, Fürth 1691.
1657 starb hier der gelehrte Vorbeter Schimeon ben Meir, der mehr als Jahre lang sein Amt in Friedberg und anderen Orten, zuletzt in Heddernheim ausübte. 
Durch die Gerichts- und Polizeiordnung vom 8. Oktober 1720 wird den hiesigen Juden bei schwerer Leibes- und Lebensstrafe der Kauf gestohlener Sachen und die Einfuhr kranken Viehes verboten. 
Auf einen Bußsatztag, der am 22. November 1726 hier abgehalten wurde, wurden einigen Juden wegen verschiedener Vergehen, meist Übertretung der Sonntagsheiligung, gestraft; auch wurde ein Mann mit Strafe belegt, der den Rabbi Israel (vermutlich)
Heddernheim Israelit 02031922b.jpg (131927 Byte)hiesiger Rabbiner), auf den ihm verkauften Brunnengang am Wasserholen verhinderte.
Eine Judenordnung von 1782, vom Dompropst des Erzstiftes Mainz ausgestellt und aus 31 Punkten bestehend, enthält nähere Bestimmungen, über die Horovitz, Kassel, das allgemeine bereits in diesem Blatte veröffentlicht hat. Ergänzend sei noch bemerkt, dass den Juden das Recht eingeräumt wird, einen 'Rabbi, Schulmeister oder Vorsänger zu halten.' Dem Rabbiner, der von der Landesbehörde zu bestätigen ist und von ihr abgesetzt werden kann, wird gestattet, Ritual- und Zeremonial-Streitigkeiten zu schlichten. Kinder von 5 bis 12 Jahren sollen während der Schulzeit nicht auf der Gasse spielen; 'nach gehaltener Schule sollen die Kinder züchtig nach Hause gehen', worauf der Schulmeister Achtung geben soll. Der auf Widerruf angestellte 'Judenbeherberger' muss alle Fremden anzeigen, die bei ihm wohnen und ist gehalten, kein verdächtiges Gesindel aufzunehmen. Unter den Abgaben, die zu zahlen sind, steht auch die Martinsgans, 'dass davon drei Schoppen Schmalz zu bekommen'. Die Metzger haben Accisgeld zu entrichten, sowie 1/4 Zentner 'ausgelassen gut Unschlitt' und einen Hut Zucker; sie müssen ferner ihr Vieh lebendig vom Schultheiß besehen lassen, wofür eine kleine Abgabe zu entrichten ist.
R. Mendel Lilg (den Namen Lilg trug eine nach dem Hause zur Lilie benannte Familie in Frankfurt am Main) aus Frankfurt, Lehrer des Rabbi Mose Sofer, hielt Vorträge im Bethamidrasch in Frankfurt und starb 1790 als Rabbiner in Heddernheim. 
Schließlich sei noch der Rabbiner Sanfel Iggersheim genannt, der 1809 hier starb und dem im Lachmei Toda Seite 42 von Rabbi Hirsch Hurwitz ein Nachruf gewidmet ist; sein Sohn Itzig Löb starb 1813 in Offenbach."

  
Die "Heddernheimer Judenordnung" von 1782  

Heddernheim ZGeschJiD 1888 390.jpg (200721 Byte)Artikel in der "Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland", Jahrgang 1888 S. 390: "Heddernheimer Judenordnung von 1782. In einer Abschrift des Herrn Dr. A. Brüll in Frankfurt am Main liegt mir durch Vermittlung des D.J.G.B. ein interessantes Aktenstück vor, aus dem ich im Folgenden einige Notizen gebe.
Die Ordnung, aus 31 Punkten bestehend, ist ausgestellt Mainz, 22. Februar 1782 vom Grafen Damian von der Leyen, Dompropst des Erzstiftes Mainz und erneuert hauptsächlich alte Vorschriften, denen sie einige neue Zusätze zufügt. Gottesdienst und Zeremonien werden gestattet, das Recht einen 'Rabbi, Schulmeister oder Vorsänger' zu halten; dem Rabbiner, der von der Landesbehörde zu bestätigen ist und von derselben abgesetzt werden kann, wird das Recht eingeräumt, Ritual- und Ceremonial-Streitigkeiten zu schlichten; Appellation an die Landesbehörde, die in Kriminalfällen die einzige Richterin ist, wird stets gewährt. Kinder von 5-12Jahren sollen während der Schulzeit nicht auf der Gasse spielen, sonst zur Schule geschickt werden; 'nach gehaltener Schule sollen die Kinder züchtig nach Hause gehen, worauf der Schulmeister Achtung geben soll'. Eheversprechen Fremder dürfen nicht ohne landesherrliche Erlaubnis gemacht werden, die Juden dürfen am Sonntag keinen Christen zur Arbeit anhalten, selber auf den Straßen keine verrichten und in den Häusern keine tun, welche besonderen Lärm verursache; sie dürfen kein Bier verzapfen, der 'auf Widerruf angestellte Judenbeherberger' muss alle Fremden anzeigen, die bei ihm wohnen und ist gehalten kein verdächtiges Gesindel aufzunehmen. 
Für manche dieser Privilegien ist Geld zu zahlen, z.B. 'Bechergeld' für Gestattung der Zeremonien; das Übertreten der Gebote wird selbstverständlich mit Geld gebüßt; die Judenordnung enthält eben hauptsächlich Bestimmungen über die Abgaben. Die Gesamtheit hat zu zahlen: für den Beerdigungsplatz; zur Oster- und Herbstmesse: ein halbes Rieß Schreibpapier, einen Hut Zucker, je ein Pfund Pfeffer und Ingwer; jeder einzelne: Schutzgeld (10 Gulden), Auszugsgeld, Neujahrsgeld, Botengeld, Herdschilling, Fastnachtshuhn, Sommerhahn, Martinsgans, 'dass davon 3 Schoppen Schmalz zu bekommen'. Fremde, die in Heddernheim ihren Wohnsitz aufschlagen wollen, wobei es ausdrücklich heißt 'es soll hinkünftig kein Jud mehr in Heddernheim ohne unsere expresse Verwilligung und Vorwissen angenommen werden', müssen eine Kaution von 100 Talern vorweisen, Niederlassungsgeld und eine besondere Abgabe für den Schutzbrief zahlen. Die Schlächter haben Accisegeld zu entrichten, ferner 1/4 Zentner 'ausgelassen gut Unschlitt' und einen Hut Zucker; sie müssen ferner ihr Vieh lebendig vom Schultheiß besehen lassen, wofür eine kleine Abgabe zu entrichten ist. Alle Abgaben, die nicht pünktlich zu den Terminen gezahlt werden, sind doppelt zu erlegen. 
Die Judenordnung, aus der im Vorstehenden die wichtigeren Bestimmungen mitgeteilt sind, atmet nicht gerade den Geist der Humanität jener Zeit, gehört aber keineswegs zu den schlimmsten der im vorigen Jahrhundert erlassenen. L.G."

  
Allgemeine Gemeindebeschreibung (1936!)   

Heddernheim GblIsrGFr August1936 435.jpg (296419 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom August 1936 S. 435: "Heddernheim. Der Name schon deutet auf hohes Alter: er erinnert an Hadrian, den römischen Kaiser zur Zeit Bar Kochbas. Dicht bei Heddernheim, noch auf ehemals nassauischem Gebiete - die Nidda ist die Grenze - fanden sich denn auch Reste einer römischen Stadt (novus vicus?) und einer Römerstrasse. Dort gefundene Altertümer sind im Historischen Museum in Frankfurt, ein Mitrasaltar in Wiesbaden. Heddernheim gehörte gleich Höchst Jahrhunderte lang zu Kurmainz, von diesem der Dompropstei als Pfründe verliehen. Aufstieg erst nach 1803, seit der Einverleibung in das Herzogtum Nassau. Vor seiner Vereinigung mit Frankfurt 1910 hat Heddernheim etwa 5200 Einwohner. - Juden müssen in Heddernheim schon wegen seiner Nähe zu Frankfurt schon früh gewohnt haben; man vermutet sich nach gewissen Funden schon zur Römerzeit. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts besteht durch ein Jahrhundert eine hebräische Druckerei von Chajim ben David Schwarz, aus welcher 'unterschiedlich auserlesene Bücher' hervorgingen. Der Wohlstand der Gemeinde sinkt augenscheinlich infolge des 30jährigen Krieges und der späteren französischen Angriffskriege, denn um 1700 wohnen zu 'Hedernum', einem geringen Dorf, ein große Menge Juden, 'arme Tropfen', welche 'vormals in besserem Zustand' als jetzo 'daselbst mögen gewohnt haben'. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ist R. Mendel Lilg, ein bedeutender Gelehrter, der in Frankfurt wohnt und im dortigen Beth Hamidrasch lehrt, bis zu seinem Tode 1790, Rabbiner von Heddernheim. - Die Gemeinde genießt trotz ihres geringen Wohlstandes infolge der Redlichkeit und Untadeligkeit ihrer Mitglieder ausgezeichnete Achtung. So sagt ein Heddernheimer Amtsbericht von 1804: 'Zum Lob der hiesigen sehr starken Judengemeinde muss ich dieser bezeugen, dass sich dieselben keine unerlaubten wucherlichen Handlungen weder dahier noch im Auslande erlaube'. Klagen zwischen christlichen und jüdischen Untertanen kämen selten vor. Die Heddernheimer Juden liehen kein Geld aus, trieben keinen Viehhandel, sondern seien 'in Frankfurt oder im Ausland (!) als Krämer von Ellenwaren' tätig. Damals ist Heddernheim mit 70 bis 80 Familien die größte Judengemeinde des jungen Herzogtums Nassau. Noch 1840 bei 1471 Einwohnern 354 Juden! Dann schneller Rückgang. 1900 ca. 75, 1910 ca. 60, 1923 nur noch 52 Seelen; dann wieder schnelles Wachstum, da auf Heddernheimer Gebiet sich Frankfurt-Römerstadt ausbreitet. Obwohl das ganze Gebiet formell immer noch zum Synagogen-Bezirk Wiesbaden gehört, geschieht natürlich die religiöse und neuerdings natürlich auch kulturelle Betreuung durch die Israelitische Gemeinde Frankfurt. Der Führer und gute Geist der Heddernheimer Juden und Hüter ihrer Tradition ist noch wie seit langen Jahren der Heddernheimer Arzt Dr. Max Kirschner.
Synagoge Alt-Heddernheim Nr. 33 hinter dem Gemeindehaus, das in der Straßenfront steht. Die Synagoge steht seit etwa 1760 (anstelle einer viel älteren, wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert), an anderem Platze. Bei der Renovation des Synagogeninnern vor kaum 1 Jahrzehnt zeigte sich an der Ostwand, zum Teil auf die Nord- und Südwand sich erstreckend, das idealisierte Bild Jerusalems, auf Kalk gemalt; leider nicht mit renoviert, sondern mit einer Schutzschicht übermalt. Liegt hier nicht vielleicht eine Aufgabe - trotz der Zeiten Not? In der Synagoge schöne alte Vorhänge, Toraschmuck, Torarollen, alles aus der Zeit des Synagogenbaues oder noch älter. Besonders schon ein Samtvorhand mit einem gekrönten Doppeladler (nicht wie sonst Löwen), der die Gesetzestafeln trägt und der Inschrift waessa etchem al kenfe n'scharim waawi etchem elaj. 'Ich trug euch auf Flügeln von Adlern und brachte euch zu mir' (2. Buch Mose 19,4). Zugleich auch Anspielung auf den Schutz des österreichischen deutschen Kaisertums, dessen Wappen der Doppeladler war. - Die Häuser um die Synagoge und den Park herum, der Standort der abgebrannten katholischen Kirche, bilden einst das Judenwohnviertel (Gesetzliches Ghetto gab hier niemals). 
Der Garten der Rohproduktenhandlung Nohstadt war einst der alte jüdische Friedhof. Er wurde 1804 geschlossen und 1814 trotz aller Einsprüche enteignet. Gebeine und Grabsteine werden auf den neuen Friedhof am Praunheimer Weg, Gebiet der Römerstadt, der nun auch bald 100 Jahre zählt, überführt und mit entsprechend beschrifteten Gedenksteinen versehen. - Privatmuseum des Herrn Dr. Ludwig Goldberg, Dillgasse 5, von dem nicht nur die jüdische Abteilung bemerkenswert ist. - Eine jüdisch-deutsche Übersetzung der Dienstanweisung der Dompropstei für den Vorbeter und ein Memorbuch, um 1770 angelegt, sind noch im Besitz der Gemeinde."

   
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schächters 1871 / 1875 

Heddernheim Israelit 13121871.jpg (41458 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1871: "Die hier erledigte Religionslehrer- und Vorbeterstelle wird sofort zu vergeben gesucht. 
Jährlicher Gehalt 300 Gulden, freie Wohnung berechnet 50 Gulden, der Schochet-Dienst 150 Gulden. 
Qualifizierte Bewerber wollen sich baldigst an den Unterzeichneten werden. 
Heddernheim bei Frankfurt am Main. Der Kultusvorstand".
  
Heddernheim Israelit 22121875.jpg (64904 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1875: "Die Religionslehrer- und Vorbeterstelle, verbunden mit der Schächterstelle ist in der israelitischen Kultusgemeinde zu Heddernheim, Amts Höchst, sofort zu besetzen.
Bewerber wollen sich bei dem unterfertigten Kultusvorstande, unter Beifügung der erforderlichen Zeugnissen, entweder schriftlich oder persönlich melden. 
Der fixe Gehalt, verbunden mit freier Wohnung beträgt 600 Mark. 
Der Schächterdienst beläuft sich ungefähr auf 260-300 Mark nebst nicht unbedeutendem Nebenverdienst. Heddernheim bei Frankfurt am Main, 3. Dezember 1875. Der Kultusvorstand: Benno Mai."

  
Zum Tod der Frau des Lehrers Löwenstein (1844)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Orient" vom 6. August 1844: "Heddernheim, 14. Juli (1844, F.J.). Es ist gewiss erquicklich, zu sehen, wenn der Geist echter Humanität die Glieder einer Ortsgemeinde so verbindet, dass sie gegenseitig die Tugend ehren, wo sie diese finden, ohne dabei erst nach dem Glaubensbekenntnisse zu fragen. Eine solche Erscheinung bot sich uns heute dar in der allgemeinen innigen Teilnahme, welche sich bei der diesen Abend 7 Uhr stattgefundenen Beerdigung der kaum 1 1/2 Jahre verehelichten Gattin des hiesigen israelitischen Religionslehrers und Predigers, Herrn Löwenstein, ungeheuchelt aussprach. Nicht nur sämtliche israelitische, sondern auch eine große Menge christlicher Einwohner hiesigen Ortes, und unter diesen der evangelische Geistliche, folgten teilnehmend dem Sarge der so früh Entschlafenen. - Der fromme Sinn und der anspruchslose Tugendwandel der Seligen, sowie die ausdauernde, aufopfernde Liebe und von Seiten ihres Gatten, welcher überhaupt durch Lehre und Beispiel segensreich in seiner Gemeinde wirkt, wurden hier erkannt und erregten wohlverdient diese Teilnahme. Diese sprach sich unter allen Anwesenden noch deutlicher aus, als der Bruder der Geschiedenen, Herr Rabbiner Dr. Höchstädter aus Wiesbaden, und der leidtragende Gatte ihren herben Schmerz, aber auch ihren festen Glauben an ein einstiges Wiedersehen, in einfachen, aber ergreifenden Worte aussprachen. Der evangelische Geistliche, Herr Kaplan Schröter, der stets in einfachen, aber gediegenen Vorträgen zu den Herzen spricht, sprach auch hier, am Sarge der Israelitin, deren bescheidene Tugend er in ihrem stillen häuslichen Wirken und insbesondere an ihrem Schmerzenslager beobachtet und gewürdigt hatte, Worte des Trostes und der Erbauung. Kein Auge blieb tränenleer; - ich schämte mich meiner Tränen nciht,. - Erbaut verließ ich den Friedhof, überzeugt, dass durch dieses Ergebnis manches Vorurteil gefallen und zu Grabe getragen worden ist. 
Ein christlicher Einwohner Heddernheims."    

 
Zurruhesetzung des (Bad) Emser Bezirksrabbiners Dr. Benjamin Hochstädter 1886, in den 1840er-Jahren Lehrer in Heddernheim

Heddernheim AZJ 16111886.jpg (81554 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. November 1886: "Frankfurt, 3. November 1886. Der seit Kurzem emeritierte Emser Bezirksrabbiner Herr Dr. Hochstädter, welcher jetzt hier wohnt, erhielt von der königlichen Regierung das nachfolgende Schreiben: 
Wiesbaden, den 4. Oktober 1886. 
Euer Wohlgeboren haben sich infolge Ihres hohen Alters veranlasst gefunden, aus Ihrem Amte als Bezirksrabbiner des Rabbinatsbezirkes Ems auszuscheiden. Beinahe 50 Jahre haben Euer Wohlgeboren im Interesse der Israeliten des mir unterstellten Verwaltungsbezirkes gewirkt, und nachdem sie zunächst längere Jahre als Religionslehrer und Prediger der Kultusgemeinden in Heddernheim und Langenschwalbach tätig waren, noch 35 Jahre lang das Amt eines Bezirksrabbiners bekleidet. Ich darf Ihr Ausscheiden aus dem Dienste nicht vorübergehen lassen, Ihnen Ihnen Namens der königlichen Staatsregierung besonderen Dank und Anerkennung für Ihre segensreiche Wirksamkeit auszusprechen! Der königliche Regierungspräsident von Wurmb."

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde  
Über Vorfahren von Jacques Offenbach, Lehrer in Heddernheim 1749-1765 
Wichtige Anmerkung zum unten zitierten Artikel von Christa Fischer, Heddernheim (E-Mail vom 24.9.2017): "Schmul Offenbach ist im Gegensatz zu der Meinung von L. Horovitz im unten zitierten Artikel aus dem 'Israelit' nicht der Großvater von Jacques - es besteht überhaupt kein Zusammenhang. Jacques Offenbach wurde am 20. Juni 1819 in Köln geboren und starb am 5. Oktober 1880 in Paris. Seine Eltern: Isaac Ben-Juda Eberts (oder Eberstadt), geboren am 26. Oktober 1779 in Offenbach, gestorben am 26. April 1850 in Köln und Marianne Rindskopf. Isaac zog 1802 nach Köln-Deutz. heiratete 1806 Marianne und änderte dann den Familiennamen erst in Offenbach. 1816 zog die Familie in die Kölner Altstadt-Süd. Hier war er von 1824 bis 1828 Kantor in der Synagoge in der Glockengasse. Schmul Offenbach schrieb 1771: "...dass ich als 68 Jahre alter Jude, 16 Jahre in Heddernheim Schulmeister... von 1749 - 1765", d.h. er ist ca. 1703 geboren, lebte in sehr armen Verhältnissen. Daher kann er nicht der Vater von Isaac Ben-Juda Eberts sein. Außerdem nennt er sich schon um diese Zeit "Offenbach", während der Vater von Jacques O. diesen Namen erst 1806 angenommen hat."   

Heddernheim Israelit 30061921.jpg (238081 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juni 1921: "Von den Vorfahren Offenbachs. Als vor einiger Zeit der 100. Geburtstag des einst so gefeierten Komponisten Jacques Offenbach begangen wurde, wies man in beteiligten Kreisen auf seinen Ursprung hin. In einem jüdischen Kantorenhause in Mainz stand seine Wiege. Es ist aber fast gar nicht bekannt, dass Offenbachs Großvater vor den Toren Frankfurts amtierte - in Heddernheim. Von dort richtet Schmul Offenbach (für falsch: Oppenheim) an seinen Landesherrn in Mainz nachstehende Bitte:
'Hochwürdig, Hochgeborener Reichsgraf! Gnädigster Herr Dompropst! Euer Horchwürdigen Gnaden und Hohe Reichsgräfliche Exzellenz geruhen gnädigst, Höchstdenenselben in tiefster Submission vorbringen zu lassen, dass ich als 68 Jahre alt seiender Juden 16 Jahre lang in Heddernheim bei der daselbigen Judengemeinde Schulmeister gewesen, aber weil ich leider vor sechs Jahren eines meiner fünf Sinne, nämlich meines Gehörs fast gänzlich beraubt und also zum ermeldeten Amt untauglich erkannt worden, meine Demission erhalten habe.
Wann aber nun gnädigster Landesvater, ich außer meinem Geschlecht erteilten Information, mich niemals auf etwas anders gelegt und ich also durch das bei den Juden gewöhnliche Handeln, ein Stücklein Brot für mich und meine Frau zu erwerben, nicht imstande gewesen bin, mein herannahendes Alter und meine Baufälligkeit es auch nicht gestattet, dass ich durch meine Hände Arbeit solches verdienen könne, wannhero es dann geschehen, dass ich seit der sechsjährigen Zeit, da ich meines Dienstes entlassen worden, sehr kümmerlich mit meiner Frau und zwar lediglich von dem, was meine Frau durch ihre unermüdliche Handarbeit verdient, leben müssen.
Höchstdieselben aber hieraus, nach Höchstdero hohen Einsichten, gnädigst zu erkennen geruhen werden, dass es mir unmöglich falle, das sonst gewöhnliche Schutzgeld, so gern ich auch beim Gegenteil solches zur gehörigen Zeit abtragen wollte, zu zahlen.
Euer Hochwürdige Gnaden wollen gnädigst geruhen, mich von der Schutzgeldabgabe zu absolvieren, dabei aber zugleich die gewisseste Versicherung zu haben, dass der reiche Vergelter alles Guten es vermöge seiner unerträglichen Verheißung tausendfach ersetzen werde. In aller Devotion ersterbe als 
Meines gnädigsten Landesvaters untertänigst gehorsamster Knecht Schmul Offenbach, Schutzjude in Heddernheim.
Offenbachs Bitte wurde am 21. Mai 1771 erfüllt; lange erfreute er sich nicht mehr der landesväterlichen Gnade, er starb am 24. August 1772. Damals lebten in Heddernheim 49 mit 'Schutz' versehene jüdische Familien; 1716 nur 34 Familien.
Jeder Schutzjude hatte dem Dompropst folgende Abgaben zu entrichten: 'Jeder verheiratete Schutzjude oder der eine eigne Haushaltung hatte, jährlich 10 Gulden; jeder Witwer oder jede Witwe 5 Gulden; Bechergeld am Neujahr 30 Kreuzer; ein Fastnachtshuhn 12 Kreuzer, Bittengeld 30 Kreuzer; ein Rauchhuhn 19 1/2 Kreuzer; Gänsemästgeld 30 Kreuzer. Kopulationsgebühren von einem Fremden 3 Gulden, von einem Einheimischen je nach dessen Vermögen. Begräbnisgelder von einer Person über 15 Jahren 1 Gulden, über 7 Jahre 30 Kreuzer, unter 7 Jahre 15 Kreuzer. Fremde bezahlen das Doppelte. Ein. und Auszugsgeld für Mann und Frau 4 Gulden. Rabbinergeld 5 Gulden, Neujahrsgeschenk 5 Gulden. Messgeschenk von der Frankfurter Oster und Herbstmesse. 1/8 Ries feiner Papier, einen Hut Zucker, 1 Pfd. Pfeffer, 1 Pfr. Ingwer, alles im Werte von 5 Gulden. Im Jahre 1776 zahlten die Heddernheimer 458 Gulden, 1778 600 Gulden Schutzgeld.
Obige Mitteilungen entstammen dem Staatsarchiv in Wiesbaden.  L. Horovitz  Kassel."

 
Zum Tod von Nathan Flörsheim (1872)  

Heddernheim Israelit 20111872.jpg (103093 Byte)Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1872: "Nekrolog. Wenn ein Frommer stirbt, sagen die Weisen, soll man trauern. Einen der edelsten, besten, frömmsten Männer, an dem Gott und die Welt sich erfreuten, haben wir heute am 13. Marcheschwan (= 14. November 1872) zur letzten Ruhestätte geleitet: Rabbi Jehonatan Bar Zwi Halewi ist nicht mehr, denn Gott hat ihn zu sich genommen  Nathan Flörsheim aus Heddernheim ist nicht mehr, der liebe Gott nahm ihn zu sich.
Dieser Mann war einer, der sich fürchtete und sich sorgte über dem Wort Gottes, einer der den Frieden liebte und dem Frieden nachjagte, sein Losungswort war stets Ich freue mich über die, die zu mir sagen: lasst uns zum Haus des Herrn gehen
Durch 25 Jahre gab er in unserer Synagoge das Licht zur Beleuchtung und den Wein zum Kiddusch und zur Hawdala. Weit und breit bemächtigte sich Trauer und Bestürzung Aller, die ihn gekannt haben. 
Trotz des schlechten Wetters versammelte sich heute eine große Menschenmenge bei seinem Begräbnis, darunter die achtbarsten Männer Frankfurts , und noch unzählige Christen begleiteten den Leichenzug bis zum Friedhof, wo dieselben trotz anhaltender Regengüsse verweilten bis zur Beendigung der Grabrede. 
Möge Nathan Flörsheim - er ruhe in Frieden - in Frieden ruhen, und sein Beispiel möge fortwirken in unserer Gemeinde. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Leben."

 
Zum Tod der Frau von Markus Sternberg (1913)  

Heddernheim FrfIsrFambl 31101913.jpg (119628 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. Oktober 1913: "Montag verschied nach längerem Leiden eine Frau, deren leben sich fast ausschließlich im Bereiche ihres Hauses abspielte und trotzdem so reich und segenspendend war, dass es beispielgebend wirken und zur ungeteilten Bewunderung hinreißen musste. Es ist Frau Markus Sternberg seligen Andenkens, die als echtjüdische Frau nach langem pflichterfüllten Leben im Alter von 75 Jahren heimgegangen ist.
In Heddernheim geboren, bewährte sich Frau Sternberg schon in ihren Mädchenjahren durch alle weiblichen Tugenden. Als sie dann vor 45 Jahren ihrem Gatten, der mit treuer Liebe an ihr hing, in sein Haus folgte, übernahm sie nicht nur ihre Hausfrauenpflichten, sondern suchte selbst ihrem Manne im Erwerbsleben behilflich zu sein. Durch ihren scharfen Verstand und ihren unübertrefflichen Fleiß verstand sie es, ein Hauswesen hervorzuzaubern, in dem sich jeder Freund edler Gastlichkeit anregender Unterhaltung und altjüdischer Gemütlichkeit behaglich fühlen  musste. Alles ging durch die Hand dieser Frau, die größte und die kleinste Verrichtung, und ihre Sorge galt jedem, der mit ihr in Verbindung stand, - bis zu ihrem letzten Atemzuge. Darum trauern auch nicht nur Mann und Kinder, denen sie das Höchste gewesen, um sie, sondern eine große Anzahl guter Freunde, bei denen sie sich durch gütige Fürsorge, durch Rat und Hilfe, durch bestrickende Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft ein stetes gutes Andenken erworben hat."

    
    
   
 
Zur Geschichte der Synagoge              
    
Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Heddernheim befand sich an der Straße Alt-Heddernheim Nr. 33 (früher Langgass) hinter dem jüdischen Gemeindehaus (mit Schule und Lehrerwohnung), das in der Straßenfront stand. Das Gebäude wurde um 1760 erstellt. 
  
Nach einem Inventarverzeichnis von 1842 waren in der Synagoge vorhanden: "6 Torarollen von Pergament, 2 Geschichtsrollen von Pergament, 1 silberne Kanne und ein 1 silberner Becher, 8 Stück Toraverzierungen von Silber, 1 Altarvorhang mit Gold gestickt, 5 diverse Altarvorhänge, 12 messinge Armleuchter, 1 messinger großer Standleuchter, 3 messinge Öllampen, 5 Folianten, Gebetbücher, 1 zinnenes Wachlavoir, 1 Schofarhorn". 1850 wurde die Synagoge neu eingeweiht (nach einer umfassenden Renovierung?).
   
Im Innenraum war die Synagoge ausgemalt, was anlässlich der Renovierung der Synagoge 1925 wieder entdeckt worden ist. In einem Bericht über die die damalige Renovierung heißt es (Saul Lilienthal, zitiert nach Arnsberg s.Lit. S. 544): "Bei der Renovation des Synagogeninnern um 1925 zeigte sich an der Ostwand, zum Teil auf die Nord- und Südwand sich erstreckend, das idealisierte Bild Jerusalems, auf Kalk gemalt. Dieses wurde allerdings nicht mitrenoviert, sondern mit einer Schutzschicht übermalt. In der Synagoge befanden sich schöne alte Vorhänge, Toraschmuck, Torarollen, alles aus der Zeit des Synagogenbaues oder noch älter. Besonders schön ein Samtvorhang mit einem gekrönten Doppeladler (nicht wie sonst Löwen), der die Gesetzestafeln hält...". In einem 1930 erschienen Artikel wurde die Innenbemalung mit der in einigen fränkischen Synagogen verglichen:

Heddernheim JuedlibZtg 22011930.jpg (120159 Byte)Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 22. Januar 1930: "Alte Wandgemälde in fränkischen Synagogen. Im 3. Heft der Beiträge zur jüdischen Kulturgeschichte, die von der 'Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäkler_ herausgegeben wird, berichtet Erich Toeplitz, Kustos am Frankfurter jüdischen Museum, über umfangreiche Decken- und Wandgemälde in einer Gruppe fränkischer Synagogen, die um 1700 entstanden sind. Es handelt sich um eine sehr reiche und bewegte, im wesentlichen ornamentale Malerei, die an den Wänden als Rahmung von Inschriftfehlern angeordnet ist, während sie die tonnengewölbten Decken phantasievoll frei spielend überzieht. In das Rankenwerk sind Tierfiguren einkomponiert, die teilweise symbolisch ausbeutbar sind. Toeplitz kann die Quellen des Stils dieser fränkischen Denkmäler im Osten feststellen, da der urkundlich bekannte Künstler zu den ostjüdischen Emigrantenfamilien gehört, die am Ende des 17. Jahrhunderts in Franken eingewandert sind. Interessant ist, dass zwar das allgemeine inhaltliche und formale System aus etwas älteren ostjüdischen Synagogen übernommen ist, die Detailformen aber von deutschen Ornamentstechern der Zeit beeinflusst wurden; vor allem bei Nürnberger Künstlern findet Toeplitz ähnliches. Wie der Kunstmitarbeiter der 'Frankfurter Zeitung' hört, hat man in der alten Synagoge von Heddernheim bei Frankfurt Reste von Wandgemälden sehr ähnlichen Charakters gefunden, diese aber leider bei Herstellung des Raumes wieder zugedeckt."

Die Heddernheimer Synagoge war bis 1938 Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort. Sie wurde 1943 abgebrochen.  
     
     
Adresse/Standort der SynagogeAlt Heddernheim 33  
   
   
Fotos    

Die ehemalige Synagoge
(Quelle: Klaus Werner usw. s.Lit. S. 11.64)
Heddernheim Synagoge 010.jpg (176659 Byte) Heddernheim Synagoge 001.jpg (89527 Byte)
    Luftaufnahme von Heddernheim von 1911, 
im unteren Drittel die Synagoge 
Das einzige bekannte Foto der 
Synagoge in Heddernheim
       
Das jüdische Gemeindehaus  Heddernheim Ort 011.jpg (59347 Byte)  
     Das Gebäude stand an der 
Straßenfront vor der Synagoge
  
     
Gedenkstein für die ehemalige Synagoge
(Quelle: Institut für Stadtgeschichte 
Frankfurt s. Link)
Heddernheim Synagoge 111.jpg (21146 Byte)
   Inschrift des Gedenksteines: "Hier in der früheren Langgasse, im Viertel der größten 
jüdischen Gemeinde des Herzogtums Nassau, stand die um 1760 erbaute Heddernheimer
 Synagoge. Sie wurde im November 1938 verwüstet und 1943 abgetragen".

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 
 

November 2013: Verlegung von "Stolpersteinen" in Heddernheim, Römerstadt und anderen Frankfurter Stadtteilen   
Artikel von Judith Dietermann in der "Frankfurter Neuen Presse" vom 18. November 2013: "Steine gegen das Vergessen..."   
Link zum Artikel      
 

    

   
Links und Literatur

Links:  

Website der Stadt Frankfurt am Main  
Website des Stadtteiles Heddernheim  
Website des Institutes für Stadtgeschichte mit Seite zum Denkmal für die Synagoge Heddernheim    
Seite zur Geschichte der Synagoge Heddernheim und ihrer Zerstörung  
Website www.stolpersteine-frankfurt.de    

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution. Band 2: Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden. 1983 S. 531-546. 
Heddernheim Buch 03.jpg (71569 Byte)Klaus Werner, Helga Krohn und Christa Fischer: Juden in Heddernheim. Die vergessenen Nachbarn. Juden in Frankfurter Vororten. Hg. vom Jüdischen Museum im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1990. 
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 126-127.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 435-436. 

  
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Heddernheim  Hesse-Nassau. Jewish scholars lived there from the 16th century, when the printer Hayyim Schwarz (Shahor) published various works (1545-47). During the Thirty Years War (1618-48), many Jews took refuge in nearby Frankfurt in 1626. Those who remained, chiefly traders and peddlers, dedicated a synagogue in 1760 and appointed a rabbi, Mendel Lilg (died 1790). The community prospered and became the largest in Nassau, growing to 354 (24 % oft the total) in 1840. After wealthier Jews (e.g. the Erlanger banking family) moved to Frankfurt, the Jewish population declined to 62 (1 %) in 1905. After Heddernheim became part of Frankfurt in 1910, the community still remained independent and affiliated with Wiesbaden's rabbinate. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue (containing ancient Torah scrolls) was vandalized; Jews who did not emigrate mostly perished in the Holocaust. 
    
     

                   
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Stand: 04. Oktober 2017