Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Hüttenheim (Gemeinde Willanzheim, Kreis Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Anzeige jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
Presseartikel zur Nutzung der ehemaligen Synagoge 
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur  

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
   
In Hüttenheim bestand eine jüdische Gemeinde bis Ihre Entstehung geht auf die Zeit um 1500 zurück. Erstmals gibt es in der Dorfordnung von 1498 einen Hinweis auf Juden am Ort. Demnach hatten die ansässigen Juden doppelt so viel Bürgergeld zu zahlen wie die Christen. 1583 erteilte der Komturatsverwalter von Mergentheim für die drei Söhne des wegziehenden Juden Salomon zu Hüttenheim einen Schutzbrief (StA LB B 287 Bü. 38). Damals gab es fünf jüdische Familien am Ort. 100 Jahre später (1694) waren bereits 12 jüdische Familien in Hüttenheim, 1720 19 Familien.
 
Die Blütezeit der jüdischen Gemeinde war im 19. Jahrhundert. Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1809 101 Personen (21,2 % von insgesamt 476 Einwohnern), 1812 173 (20,0 % von 864), 1867 105 (13,6 % von 771), 1890 109 (13,2 % von 827). Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder durch Aus- und Abwanderung zurück. 1900 wurden noch jüdische 69 Personen am Ort gezählt (9,5 % von 729), 1910 37 (5,5 % von 670).
 
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Isaak Liebenstein (geb. 1.7.1877 in Hüttenheim, gef. 14.12.1916). Sein Name steht auf dem Denkmal für die Toten beider Weltkriege, das sich in der Leichenhalle des Dorffriedhofes befindet (zwei Steintafeln). 
  
An Einrichtungen waren vorhanden: eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule, ein Vorsängerhaus mit Mikwe neben der Synagoge (s.u.) sowie seit 1816/17 ein eigener Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schächter tätig war. Unter den Lehrer ist bekannt: nach 1886 bis ca. 1904 Samuel Schwarzenberger (spätestens ab 1907 in Kleineibstadt). Die jüdische Gemeinde gehörte von 1838 bis 1880 zum Distriktsrabbinat Welbhausen, danach zum Distriktsrabbinat Kitzingen (zuletzt seit 1937 zum Bezirksrabbinat Würzburg). An jüdischen Vereinen bestand insbesondere die Heilige Bruderschaft (Chewra Kadischa), die 1821 gegründet wurde.  
 
Um 1924, als noch 30 jüdische Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (4,3 % von insgesamt etwa 700 Einwohnern), war ihr Vorsteher S. Liebenstein. Bis 1932 war die Zahl der Gemeindeglieder auf 24 zurückgegangen. Vorsteher der Gemeinde war inzwischen Jakob Freudenthal (Bäcker in Hüttenheim, siehe unten Hochzeitsanzeige). Als Lehrer wird ein Herr Heubert genannt. Jüdischen Religionsunterricht erhielt damals nur noch ein Kind.
  
1933 lebten noch 23 jüdische Personen in Hüttenheim. Im Herbst 1933 wurde auswärtigen Juden das Betreten von Hüttenheim nur noch mit besonderer Genehmigung des Bürgermeisters erlaubt. Auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykottes verließen bis 1937 15 jüdische Personen den Ort.
   
Von den in Hüttenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Meta Pauline Adler geb. Liebenstein (1885), Rosa Blumenthal geb. Friedmann (1885), Adele Fränkel geb. Hüchberger (1878), Berta Friedmann (1876), Lina (Helene) Friedmann (1876), Rosa Friedmann (1874), Helene Haas geb. Schott (1860), Otto Hahn (1883), Rosa Hahn (1884), Therese Kurzmann geb,. Hochheimer (1880), Karoline Lärmer geb. Liebenstein (1884), Hermann Liebenstein (1879), Jetta Liebenstein geb. Kahn (1884), Katharina (Kathie) Liebenstein (1888), Salomon LIebenstein (1882), Samuel Liebenstein (1876), Sofie Liebenstein (1873), Lina Löwenfels geb. Pappenheimer (1864), Ricka Löwenstein geb. Possenheimer (1862), Betty Mann geb. Wolfram (1886), Zion Mayer (1864), Fanny Popper geb. Hahn (1876), Mina Possenheimer (1864), Johanna Weinberg geb. Liebenstein (186), Martha (Merle) Wolfrom (1874).   
      
      
      
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
      
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876  

Huettenheim Israelit 17051876.jpg (44915 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" am 17. Mai 1876: "In Hüttenheim, Königlich Bayrisches Bezirksamt Kitzingen am Main, ist die Stelle eines israelitischen Religionslehrers und Vorsängers nebst damit verbundener Schächterstelle zu besetzen. Lehrer-Gehalt 462 Reichsmark 86 Pfennige. Vorsänger-Gehalt 51 Reichsmark 43 Pfennige. Schächterstelle 342 Reichsmark 86 Pfennige nebst freier Wohnung. Bewerber dieser Stelle wollen sich an den Unterzeichneten wenden. Gedalja Heidingsfelder, Kultus-Vorstand." 
 
Huettenheim Israelit 20121876.jpg (46172 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1876: "In Hüttenheim, königliches Bezirksamt Kitzingen am Main ist die Stelle eines israelitischen Religionslehrers und Vorsängers nebst damit verbundener Schächterstelle zu besetzen. Lehrer- und Vorsänger-Gehalt 514 Reichsmarkt 29 Pfennig, Schächterstelle 342 Mark 86 Pfennig nebst freier Wohnung. Bewerber wollen sich mit Prüfungs-Zeugnis vom Seminar versehen an den Unterzeichneten wenden. 
G. Heidingsfelder
, Vorstand."

     
     
Berichte aus dem jüdischen Gemeindeleben  
Der katholische Lehrer Georg Schmitt wird wegen Sittlichkeitsvergehen an elf jüdischen Mädchen verurteilt (1897)     

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Dezember 1897: "Wegen fortgesetzter Verbrechen wider die Sittlichkeit, begangen an zehn israelitischen Mädchen unter 14 Jahren und einer israelitischen Sonntagsschülerin von 16 Jahren, wurde der katholische Lehrer Georg Schmitt von Hüttenheim vom Landgericht Würzburg zu einem Jahre sechs Monaten Gefängnis verurteilt."       

   
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
Hochzeitsanzeige von Jakob Freudenthal und Terese geb. Schmid (1925)  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1925: Statt Karten  
Jakob Freudenthal - Terese Freudenthal geb. Schmidt 
Vermählte.  
Hüttenheim - Fischach. Trauung: Hotel Pauli, Würzburg, 1 Uhr."  
Anmerkung: Jakob Freudenthal (geb. 13.7.1871 in Theilheim; von Beruf Bäcker [Gemeindevorsteher in Hüttenheim]; im Dezember 1938 mit Frau nach Würzburg verzogen, siehe Strätz Biographisches Handbuch Würzburger Juden I,176) und Terese (Therese) geb. Schmid (geb. 29. November 1885 in Fischach) sind im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden. Hier ist Jakob Freudental am 24. Februar 1944 umgekommen. Terese wurde von dort im Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz verbracht, wo sie ermordet wurde.

      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge        
  
1565/70 wird erstmals eine "Judenschule"/Synagoge genannt. 1662 wurde das heute noch erhaltene Vorsängerhaus mit einem rituellen Bad erbaut. 1754 wurde hinter dem Vorsängerhaus eine neue Synagoge erbaut. Es handelte sich um einen charakteristischen Mansarddachbau. 

Beim Novemberpogrom 1938 kam eine Gruppe von SS-Leuten aus Kitzingen nach Hüttenheim. In Anwesenheit zahlreicher Dorfbewohner drangen sie in die Synagoge ein und zerschlugen die Inneneinrichtung und die Ritualien. Das Gebäude blieb jedoch erhalten.

Nach 1945 zogen zunächst Flüchtlingsfamilien in das Synagogengebäude ein. 1950 fand vor dem Landgericht Würzburg ein Prozess gegen fünf der an den Ausschreitungen beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten statt. Einer erhielt sieben Monate Gefängnis, die anderen wurden freigesprochen. 1953/54 kaufte die örtliche Raiffeisengenossenschaft das Gebäude einschließlich des Vorsängerhauses. Bis 1996 wurde das Gebäude als Lager und Abstellraum für Traktoren und landwirtschaftliche Geräte verwendet. 1996 ging das Gebäude dann in den Privatbesitz einer Familie über, die die ehemalige Synagoge und das Vorsängerhaus umfassend restaurierte und seitdem für Wohnzwecke benutzt.  
    
    
Adresse/Standort der Synagoge: Haus Nr. 23  
   
   
Fotos
(Fotos: die historische Aufnahme des Tora-Schildes von Th. Harburger um 1927/30, veröffentlicht in ders.: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern Bd. 2 S. 301; die Aufnahme des Hochzeitssteines in Pinkas HaKehillot s. Lit. S. 460; neuere Fotos von Hahn, Aufnahmedatum 12.5.2006; die mit *) bezeichneten Fotos sind von Jürgen Hanke, Kronach)  

Historische Aufnahmen  Huettenheim Synagoge 010.jpg (84880 Byte) Huettenheim Synagoge 196.jpg (129089 Byte)
  Tora-Schild im Besitz der 
ehemaligen jüdischen Gemeinde 
Der Hochzeitsstein an der 
ehemaligen Synagoge 
     
        
Die ehemalige Synagoge 
nach 1945
Huettenheim Synagoge 195.jpg (45793 Byte) Huettenheim Synagoge 190.jpg (59061 Byte)
  Die ehemalige Synagoge 
vor der Restaurierung 
Die ehemalige Synagoge 
nach der Restaurierung* 
     
Huettenheim Synagoge 200.jpg (83511 Byte) Huettenheim Synagoge 204.jpg (77017 Byte) Huettenheim Synagoge 205.jpg (63887 Byte)
Hinweisschild zur 
ehemaligen Synagoge 
Blick auf das Synagogengebäude 
von Südwesten 
Eingang zur 
ehemaligen Synagoge 
     
Huettenheim Synagoge 191.jpg (79486 Byte) Huettenheim Synagoge 206.jpg (76789 Byte) Huettenheim Synagoge 203.jpg (102077 Byte)
Das ehemalige "Vorsänger-Haus", erbaut 1662 mit rituellem Bad, Foto links*  
 
Huettenheim Synagoge 202.jpg (51427 Byte) Huettenheim Synagoge 201.jpg (78069 Byte) Huettenheim Schule 190.jpg (57848 Byte)
Der zerstörte Hochzeitsstein; die Strahlen
 der Sonne (siehe historisches Foto oben)
 sind noch erkennbar. 
Hinweistafel zur 
Geschichte der Synagoge 
Das ehemalige 
jüdische Schulhaus 
      
     
     
Gedenktafel im Rathaus 
der Gemeinde
 
(erhalten Sept./Okt. 2011
vom Bürgermeisteramt Markt Willanzheim;
Fotos: Ingrid Reifenscheid-Eckert)   
Huettenheim Gedenktafel 015.jpg (71101 Byte) Huettenheim Synagoge 195.jpg (112895 Byte)   
  Auch im Rathaus des Marktes Willanzheim befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde mit dem Text: "In Hüttenheim bestand eine jüdische Kultusgemeinde, deren Synagoge in der Pogrom-Nacht 1938 verwüstet wurde. Der Markt Willanzheim gedenkt seiner ehemaligen jüdischen Mitbürger. Zur Erinnerung und Mahnung."  
     
     
September 2009: Bayerischer
 Denkmalpreis für Hüttenheimer 
Ehepaar und die ehemalige Synagoge 
in Hüttenheim
(Quelle der Fotos: Bayerisches Kunstministerium)  
Huettenheim Synagoge 175.jpg (44867 Byte) Huettenheim Synagoge 176.jpg (32590 Byte)
    Die ehemalige Synagoge in Hüttenheim 
ist ein zweigeschossiger Massivbau mit
 einem zeittypischen Mansarddach. 
Die Sanierung des Gebäudes ist mit 
der Denkmalschutzmedaille 2009
 ausgezeichnet worden  
Andrea Kalbhenn-Link und Günter Link 
sind von Kunstminister Wolfgang Heubisch
 (rechts) mit der Denkmalschutzmedaille
 ausgezeichnet worden   
  
    
     
Presseartikel zur Nutzung der ehemaligen Synagoge in Hüttenheim   
September 2009: Auszeichnung für vorbildlichen Denkmalschutz im Blick auf die ehemalige Synagoge  

Artikel in der "Main-Post" vom 14. September 2009: HÜTTENHEIM - Medaille für ehemalige Synagoge
Hüttenheimer Ehepaar für vorbildlichen Denkmalschutz ausgezeichnet

(gina) Für das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ist die 1754 erbaute Synagoge in Hüttenheim 'ein eindrucksvolles Beispiel einer barocken Landsynagoge in Unterfranken'. Andrea Kalbhenn-Link und Günter Link können sich über das Urteil freuen.
Bei der bayerischen Auftaktveranstaltung zum 'Tag des offenen Denkmals' in Dinkelsbühl sind die beiden von Kunstminister Wolfgang Heubisch für die Sanierung der ehemaligen Synagoge mit der Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet worden. Die Ehre ist unterm Strich 26 Persönlichkeiten und Institutionen aus ganz Bayern zuteil geworden. Mit der Medaille werden private Denkmaleigentümer, gemeinnützige Initiativen, ehrenamtliche Helfer und Vereine sowie Stiftungen gewürdigt. 'Die vorbildliche, denkmalgerechte Instandsetzung ist dabei nur eine Seite der Medaille – der große gesellschaftliche Wert dieser Leistung die andere', würdigte Heubisch das Engagement der Geehrten.
Der zweigeschossige Massivbau hat ein zeittypisches Mansarddach. Der erhaltene Hochzeitsstein und das so genannte Misrachfenster zeichnen das Bauwerk auch heute noch als ehemalige Synagoge aus. Westlich an das Gotteshaus grenzt das bereits 1662 errichtete Fachwerk-Vorsängerhaus an: eingeschossig und mit Satteldach. Darunter befand sich eine Mikwe (Ritualbad), so dass auf engstem Raum – abgesehen vom Friedhof – alle rituellen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde anschaulich überliefert sind. Wie fast alle jüdischen Versammlungshäuser schändeten die Nationalsozialisten auch die Hüttenheimer Synagoge in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. In den Nachkriegsjahren wurde das Gebäude landwirtschaftlich genutzt und verfiel zusehends. Notsicherungsmaßnahmen bewahrten die Synagoge und das Vorsängerhaus vorm Verfall.
Eine langfristige Perspektive eröffnete sich für das Ensemble erst 1995/96, als das Ehepaar Andrea Kalbhenn-Link und Günter Link die Gebäudegruppe kaufte. Das Lob des Ministeriums: 'Im Bewusstsein um die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Zentrums jüdischen Gemeindelebens planten sie eine vorbildliche Instandsetzung und Umnutzung zum Wohnhaus.'  

    

Februar 2020: Über das Leben in einer ehemaligen Synagoge 
Beitrag von Gerhard Krämer in der "Main-Post" vom 27. Februar 2020: "Wiesenbronn. Filmreife Sanierung: Neues Leben in zwei alten Synagogen
In Wiesenbronn und Hüttenheim haben Familien die früheren Gotteshäuser zu Wohnhäusern saniert. Wie dies gelang und was die Bewohner damit verbinden, zeigt ein Fernsehfilm. Etliche Menschen wohnen in Denkmälern, seien es alte Häuser oder gar Türme. Wenige leben aber in einer ehemaligen Synagoge – wie die Familien Hüßner in Wiesenbronn oder Link in Hüttenheim. Andernorts dagegen dienen die ehemaligen Gotteshäuser als Lagerraum. All das sind Synagogengeschichten, die Sybille Krafft für die Fernseh-Reihe 'Leben mit einem Denkmal' aufgespürt hat. Nicht mehr oft kommt es vor, dass es eine Preview gibt. Die Redaktion der Sendung 'Unter unserem Himmel' des Bayerischen Rundfunks (BR) hatte dazu in die ehemalige Synagoge in Wiesenbronn zur Familie Michaela und Reinhard Hüßner eingeladen. Im ehemaligen Betsaal, jetzt das Wohnzimmer der Familie, durften Akteure der Dokumentation und Fördermitglieder den Film vorab sehen. Kinofeeling einmal anders, nicht mit Popcorn und Cola, sondern mit Bratwürsten und Wein. 'Es war eine wunderschöne Zeit während der Dreharbeiten', schwärmt Reinhard Hüßner, der sich mit seiner Frau Michaela freute, Gastgeber sein zu dürfen. Für Sybille Krafft hätte es keinen kongenialeren Ort für das Preview geben können. 'Es ist notwendiger denn je, dass wir auf dieses kulturelle Erbe aufmerksam machen', sagt sie mit Blick auf aktuelle Geschehnisse. 'Diesen Schatz einfach zu bewahren und sorgsam damit umzugehen in der derzeitigen Situation, ist da das Beste.'
Nach dem Kauf des Gebäudes ging es ans Ausräumen. Im April 2005 hat Reinhard Hüßner das Plakat 'Zu verkaufen' an der ehemaligen Synagoge gesehen. 'Da haben wir zugeschlagen', erzählt er. Das Gebäude war im Prinzip bezugsfertig, doch sofort eingezogen ist Familie Hüßner nicht. 'Wir haben erst einmal ausgeräumt.'
'Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren.' Michaela Hüßner über die Sanierung der früheren Synagoge in Wiesenbronn
Denkmalpfleger, Archäologen, Restauratoren, Geologen, Historiker und Volkskundler waren dann neben Architekten und Handwerkern die Begleiter für die folgenden Jahre. Interessantes kam zum Vorschein. Fast lückenlos konnte die Bau- und Renovierungsgeschichte rekonstruiert werden. An einer Decke im Erdgeschoss fand der Restaurator zum Beispiel 63 Farbanstriche, verteilt auf 130 Jahre. Das rituelle Reinigungsbad, die Mikwe, wurde freigelegt, der Betsaal im Obergeschoss mit Mansarddach ist ja mit seiner letzten Ausmalung weitestgehend erhalten geblieben und wurde sorgfältig rekonstruiert und konserviert. Jetzt verbringen die Hüßners Abende im Wohnzimmer unterm Sternenhimmel. 'Wir haben all das selber gemacht, wozu man nicht unbedingt Fachleute brauchte', erzählt Michaela Hüßner. Außen klopften sie Putz ab und sie hatte sich sogar Zahnarztwerkzeug beschafft, um den Zement aus den Fugen zu kratzen. 'Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren.' Jede freie Minute habe man mit dem Gebäude verbracht. Wie viel Zeit das insgesamt war, das weiß sie nicht. 'Man rechnet da nicht nach', meint sie. Zehn Jahre lang sanierten die beiden nach allen Regeln der Denkmalkunst das Gebäude. Eine Zeit, in der auch das Gebäude selbst mit den Bauherren etwas gemacht hat: 'Man fühlt sich daheim. Zehn Jahre haben wir mit dem Haus gearbeitet, da fühlt man sich angekommen', erklärt Michaela Hüßner. Ihr Mann Reinhard fühlt sich in dem historischen Gebäude ebenfalls wohl. Es habe Geschichte und irgendwie eine Aura. Das Spannende sei auch die Einbindung in die Dorfgeschichte. Bei diesem Gebäude habe man nicht nur normale Jahreszahlen oder Wände, 'man kann auch die Menschen spüren, die dort gelebt und gearbeitet haben, gelitten und gefeiert haben'. Das ist 'das Fleisch eigentlich, was die Geschichte ausmacht'.
Ähnlich geht es der Familie von Andrea und Günter Link aus Hüttenheim. Günter Link, selbst Schreiner, hat auch zu den Hüßners eine Beziehung, denn er fertigte das Holzgeländer auf der Frauenempore des Betsaals. Als die Links die ehemalige Synagoge mit Vorsängerhaus gekauft haben, war das lange leerstehende Gebäude eigentlich eine Bauruine. Mit viel eigener Arbeit haben sie es saniert. Die Umwandlung von einem ehemaligen Gotteshaus in ein Wohnhaus sei anfangs schon etwas holprig gewesen. Doch nachdem die Israelitische Kultusgemeinde grünes Licht gegeben hatte, zog auch das Denkmalschutzamt mit, mit dem sie, wie die Hüßners in Wiesenbronn, auch beste Erfahrungen gemacht hätten.
Nachfahren jüdischer Bürger kommen zu Besuch. Und sie genießen das Wohnen in dem Gebäude mit einem sehr hohen Raum. 'Dem Ort seine Würde lassen und mit ihm leben', beschreibt es Günter Link. Es lebe sich hier anders als in einem Haus, in dem noch nie Menschen gelebt haben. Man habe auch Respekt davor, ergänzt Andrea Link. Besuch bekomme man von Nachfahren ehemaliger jüdischer Bürger in Hüttenheim. Das gebe einen ganz anderen Austausch mit Religion. Es sei sehr spannend, in einem geschichtsträchtigen Haus zu wohnen.
Sendetermin. Am Sonntag, 1. März, läuft um 19.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen in der Reihe 'Unter unserem Himmel' die Sendung mit dem Titel 'Leben im Denkmal: Synagogengeschichten'.
Es werden sechs Beispiele vorgestellt, wie ehemalige Synagogen in Franken heute genutzt werden, darunter neben Wiesenbronn und Hüttenheim zwei weitere, wo Menschen gerade dabei sind, eine Sanierung zu planen, die älteste noch genutzte Synagoge in Bayreuth und die ehemalige Synagoge in Uehlfeld, die ein Taxifahrer als Lager für Flipper-Automaten nutzt, die nach seinen Angaben überwiegend aus jüdischen Firmen stammen." 
Link zum Artikel   

      
        

Links und Literatur  

Links:   

bulletWebsite der Marktgemeinde Willanzheim  -  Unter "Historisches zu Hüttenheim" auch einige Angaben zur jüdischen Geschichte, gleichfalls vorhanden Seite zum jüdischen Friedhof und Seite zur Synagoge    
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Hüttenheim (interner Link)  
bulletName des jüdischen Gefallenen auf einer Seite des Hauses der Bayerischen Geschichte   

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 325-326.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 69-70.  
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 459-461.  

   
   


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Huettenheim  Lower Franconia. The Jews maintained a continuous settlement from the late 16th century, growing to 173 in 1812 (total 864) and thereafter dropping to 105 in 1867 and 24 in 1933. The Jewish cemetry, which served for other communities as well, was desecrated in 1935. Fifteen Jews left Huettenheim in 1933-1937, another four (to the United States in 1939), and the last five were deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and to the Theresienstadt ghetto in 1942.  
        
         

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020