Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schonungen (Kreis Schweinfurt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)  

Übersicht:  

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Sonstiges    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde     
   
In Schonungen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 18. Jahrhunderts zurück, als die Herren von Thundorf einige jüdische Familien aufnahmen. Aus einer im 18. Jahrhundert am Ort lebenden Familie stammt der spätere Unterrabbiner in Heidingsfeld Koppel Hayum von Schonungen.
  
Nach einer von Elisabeth Böhrer im Staatsarchiv Würzburg gefundenen Urkunde lebten 1699 vier jüdische Familien unter dem Schutz des Würzburger Bischofs in Schonungen "und haben sambtliche Juden einen Schulmeister namens Falck von Obereuerheimb bey sich". Demnach stammte der damalige Schonunger Lehrer Falck aus dem benachbarten Obereuerheim. Weiter ist einer Aufstellung der Dorfbevölkerung des Amts Maynberg zu entnehmen, dass im Jahre 1753 lediglich in Schonungen Juden wohnten (auf das Amt Maynberg bezogen) und die Zahl mit "57 Juden Seelen" angegeben wird. Nach Berechnung von E. Böhrer waren das 17 % der damaligen Schonunger Einwohner. In einem anderen Akt werden für das Jahr 1763 namentlich 12 jüdische Familienväter genannt. Auch diese sind "im Hochstift wohnende, zur Hochfürstl. Hofkammer zahlbare Schutz Juden".          
  
  
Genaue Zahlen der jüdischen Einwohner sind aus dem 19. Jahrhundert bekannt, wobei die Zahlen überraschend konstant sind: 1816 72 jüdische Personen (Höchstzahl im 19. Jahrhundert = 13,8 % von insgesamt 520 Einwohnern), 1837 60, um 1850 "14 Familien", 1867 64 (8 % von 797 Einwohnern), 1890 66. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der Gemeindeglieder durch Aus- und Abwanderung zurück, sodass 1910 nur noch 35, 1925 gleichfalls 35 jüdische Einwohner (2,8 % von insgesamt 1.250 Einwohnern) gezählt wurden. 
  
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Schonungen auf insgesamt elf Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Michel Moises Kleemann (Weinhandel und Ökonomie), Kusel Michel Kleemann (Weinhandel und Ökonomie, zu beiden siehe Anmerkung unten - Berichte zu einzelnen Personen), Hohna Michel Kleemann (Weinhandel und Ökonomie), Manasses Löb Löbendritt (Viehhandelschaft und Kapitalienausleihung), Samuel Löb Löbendritt (Viehhändler, Kapitalist, Weinhändler), Jaidel Michel Steinberg (Schmuser), Moses Götz Blümlein (Viehhandel), Jacob Samuel Kaufmann (Viehhändler und Schmuser), Löser Mayer Fleischmann (Metzger), Mayer Wolf Wolfenstein (Viehhandel), Abraham Schmul Rosenbaum (Viehhandel).
  
Auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebten viele der jüdischen Familien vom Viehhandel. Einige eröffneten Läden am Ort.  
    
An Einrichtungen der jüdischen Gemeinde waren neben der Synagoge (s.u.) auch ein Gemeindehaus mit Schulräumen und einem Ritualbad vorhanden. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Kleinsteinach beigesetzt. Seit 1920 bestand - nach den Recherchen von E. Böhrer - die Erlaubnis der Nutzung des Friedhofes in Schweinfurt für Beerdigungen der Israelitischen Kultusgemeinde Schonungen, wobei einzelne Beisetzungen weiterhin in Kleinsteinach stattfanden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (Ausschreibungen s.u.). Unter den Lehrern sind u.a. bekannt: von 1848 bis 1860 (1853 beim großen Brand in Schonungen s.u.) Lehrer Michael Löb Kleemann, um 1884 Lehrer S. Pfeifer (siehe Anzeige unten), um 1889/90 Leopold Anfänger (nach E. Böhrer wird er erstmals in einem Schreiben vom 4. August 1889 in Schonungen genannt; Näheres zu ihm u.a. auf der Seite zu Waltershausen), um 1904 Lehrer Sichel.  Die Gemeinde gehörte nach 1839 für einige Jahrzehnte zum Distriktsrabbinat Niederwerrn, bis dieses aufgelöst beziehungsweise nach Schweinfurt verlegt wurde (1864). 
  
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Simon Rosenbaum (geb. 6.3.1887* in Schonungen, gef. 24.9.1915), Simon Jakob Rosenbaum (geb. 7.9.1890 in Schonungen, gef. 29.6.1915), Isidor Steinberger (geb. 15.9.1877 in Schonungen, gef. 2.3.1916) und Siegfried Stern (geb. 10.8.1892 in Hofheim, gef. 29.4.1916).
*Nicht am 16.3.1887, wie in manchen Listen zu lesen (Auskunft E. Böhrer). Die Namen der jüdischen Gefallenen wurden auf dem Gefallenendenkmal der Gemeinde (Gedenkstätte . ehemalige Friedhofshalle im alten Friedhof) im März 2012 nachgetragen.     
   
Um 1925 waren die Vorsteher der Gemeinde R. Rosenberger I und Siegfried Rosenbaum (auch noch 1932). Inzwischen hatte die Gemeinde auf Grund der zurückgegangenen Gemeindegliederzahlen keinen eigenen Religionslehrer mehr. Den Religionsunterricht der damals nur noch vier jüdischen Schulkinder erteilte Lehrer Moses Weigersheimer aus Schweinfurt.  
   
Der Nationalsozialismus zeigte im Ort sehr bald erste Wirkungen: im Frühjahr 1922 hetzte Julius Streicher in einer Rede die Dorfbewohner offen gegen die Juden, indem er aus dem Verschwinden von drei christlichen Kindern aus Nürnberg zu Ostern 1922 einen von Juden begangenen Ritualmord konstruierte. Aufgrund dieser Äußerungen wurde Streicher vor Gericht gestellt und zu zwei Wochen Gefängnis unterteilt. 
   
1933
wurden noch 23 jüdische Einwohner gezählt. Ein Großteil von ihnen (14) verließ zwischen 1937 und 1941 den Ort: acht wanderten aus (sieben davon in die USA), sechs verzogen in andere deutsche Orte (drei nach Würzburg). Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Wohnungen mehrerer jüdischer Familien demoliert (zur Synagoge s.u.). 

Aus den Kindheitserinnerungen von Dr. Johanna Vogel in Berlin, die in ihrer Kindheit und Jugendzeit von 1935 bis 1954 in Schonungen lebte - die Schändung der Synagoge und die Schandtaten gegen jüdische Häuser und Familien war ihre erste bleibende Kindheitserinnerung, die sie aus der Wahrnehmung eines kleinen Mädchens beschreibt (zugesandt von Dr. Vogel am 22.10.2012): "November 1938: "Damit komme ich zu meiner wichtigsten, frühesten, unvergesslichsten Erinnerung. Es war am 9. November 1938. Meine älteste Schwester Bärbel – oder war es doch Ursel? – schleift mich mit ins Dorf. Dort ist etwas los. Es gibt etwas zu sehen. Wir kommen zum Dorfbach, wo sich jenseits des Baches eine riesige Menschenansammlung drängt. Aus einem gegenüberliegenden Haus schmeißen sie Möbel aus dem Fenster – und aufgeschlitzte Federbetten. 'Frau Holle!' Ich bin fasziniert. Frau Holle lässt Federn regnen. Was für ein Bild. Lauter Federn! Da wird meine Faszination jäh gestört. Der Großvater (August Raasch, der Vater meiner Mutter, der damals bei uns wohnte) ist plötzlich auch da. Zornentbrannt packt er uns beide an den Armen, oder schlägt er uns sogar? und zerrt uns weg, mit Riesenschritten heimwärts: 'Das ist eine Schweinerei'. Eine Schweinerei? Frau Holle, eine Schweinerei? Bis heute ist mir dieses Märchen verleidet. Eine Schweinerei. Später, als Schulkinder, durften wir in der verrottenden Synagoge spielen. Huh, wie unheimlich das da drinnen war. Der hohe Raum, die großen Fenster. Huh, huh!".  

Im Februar 1942 lebten noch neun jüdische Personen in Schonungen. Sechs wurden im April 1942 nach Izbica bei Lublin deportiert. Die letzten jüdischen Einwohner - das Ehepaar Raphael und Zilli Rosenberger geb. Eberhardt - wurden im September 1942 von Würzburg aus in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Eine weitere, über 80-jährige Frau aus Schonungen ist noch vor der Deportation in Würzburg verstorben.  
   
Von den in Schonungen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Flora (Florchen) Adler geb. Langgut (1889), Max Adler (1879), Karoline (Lina) Friedlein geb. Steinberger (1880), Elise Grünbaum geb. Kleemann (1860), Berta Kassewitz geb. Adler (1906), Berta Langgut (1889), Jakob Laubner (1872), Ina Rosenbaum (1890), Karola Rosenbaum (1885), Siegfried Rosenbaum (1892), Raphael Rosenberger (1869), Zilli Rosenberger geb. Eberhardt (1878), Hermann Steinberger (1871). 
   
Die in einigen Listen genannte Frieda Rosenbaum geb. Braun (1892) starb vor Beginn der Deportationen im August 1941 in Würzburg und wurde auf dem dortigen jüdischen Friedhof beigesetzt.   
      
Der Antrag, vor vier Wohnhäusern ehemaliger jüdischer Ortsbewohner, die nach den Deportationen umgekommen sind (u.a. vor dem Gebäude Hauptstraße 14 - Haus von Raphael und Zilly Rosenberger), scheiterte im Frühjahr 2010 im Gemeinderat von Schonungen (siehe Pressebericht unten). Dafür wurde im April 2012 ein Denkmal am Alten Rathaus eingeweiht mit den Namen der direkt aus Schonungen deportierten Personen (dazu für Raphael und Zilli Rosenberger).   
   
   
   

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Religionslehrer- und Vorbeterstelle 1876 / 1894

Schonungen Israelit 01031876.jpg (48387 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1876: "Die hiesige Religionslehrerstelle, verbunden mit Schächterfunktion, ist erledigt. Die Erträgnisse sind 685 Mark als Fixum, 170 Mark Schächterfunktion nebst schöner Wohnung und freier Beheizung. Nebenverdienste sind nicht unbedeutend. 
Bewerber hierzu wollen sich gefälligst an den Unterzeichneten wenden. 
Schonungen in Bayern (Unterfranken), am 27. Februar 1876. S. Fleischmann". 
   
Schonungen Israelit 02081894.jpg (60281 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. August 1894: "Die hiesige Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle ist per sofort zu besetzen. Fixes Gehalt 500 Mark. Schächteinkommen 150 Mark und sonstige Nebenverdienste. 
Schöne Wohnung und freies Holz. Außerdem ist ein junger Mann in der Lage durch Privatunterricht noch vieles Geld zu verdienen. 
Meldungen erbittet der Vorstand 
Samuel Steinberger, Bahnstation Schonungen bei Schweinfurt am Main".

   
Über Lehrer Michael Löb Kleemann (von 1848 bis 1860 Lehrer in Schonungen)  

Lehrer Michael Löb Kleemann war von 1848 bis 1860 Lehrer in Schonungen. Er stammte aus Werneck, wo er am 27.1.1828 als Sohn eines Viehhändler geboren ist. Von 1845 bis 1847 ließ er sich am Schullehrerseminar in Würzburg ausbilden, war danach ein Jahr Hauslehrer in Würzburg und seit 1848 Lehrer in Schonungen. Er heiratete die am 11.1.1830 in Schonungen geborene Amalie geb. Fleischmann, mit der er zusammen sieben Kinder hatte. Von 1860 bis zu seiner Zurruhesetzung im November 1908 war Kleemann Lehrer in Forchheim. Er starb am 21.12.1908 und wurde im jüdischen Friedhof in Baiersdorf beigesetzt. Seine Frau Amalie starb am 26.8.1909 und wurde gleichfalls in Baiersdorf beigesetzt. Quelle: Kiessling, Juden in Forchheim S. 98-99   

  
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Über die in der Matrikelliste 1817 genannten Michel Moises Kleemann und Kusel Michel Kleemann (inzwischen in Schweinfurt wohnhaft) 

Anmerkung von D. Rosenstock s. Lit. S. 194-195 Anm. 331: "Michael Moises und Kusel Michael (Kleemann), Vater und Sohn, hatten am 15. Juli 1814 von der damaligen großherzoglich würzburgischen Landesdirektion die Genehmigung erhalten, sich in der Stadt Schweinfurt ansässig zu machen. Sie verfügten damals über ein Vermögen von mehr als 10.000 Gulden. Dagegen erhob die Stadt Schweinfurt mehrfach Einspruch, weil sie den Ruin ihres eigenen Kaufmannsstandes befürchtete. Sie berief sich dabei auf ein kaiserliches Privileg vom 3. September 1555, wonach sich in Schweinfurt keine Juden niederlassen durften. Auch wenn die Einsprüche der Stadt von der Landesdirektion und später von der bayerischen Hofkammer in Würzburg mehrmals abschlägig beschieden worden sind, ist den beiden genannten Supplikanten der Zuzug offenbar nur unter Vorbehalt gewährt worden, denn 1817 mussten sie ihre Matrikelstellen in ihrem Herkunftsort Schonungen beantragen. Im Jahre 1821 waren sie dagegen in der Stadt fest etabliert (nach: Tabellarische Übersicht der Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen im Untermainkreis, in: Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen. Generalia 1817-1825 [StAW, Reg.Abg. 1943/45, Nr. 7079 S. 136-149]). In der Stadt Schweinfurt wurden damals zwei dort ansässige Familien, ohne Namensnennung, mit insgesamt 18 Personen, davon 3 Kinder im schulpflichtigen Alter von 6-12 Jahren, genannt." Es ist  - nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer - mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es sich hierbei um die Familien Kleemann handelt.     

  
Zum Mord an dem Handelsmann Simon Rosenbaum (1878)   
Anmerkung: nach Forschungen von Elisabeth Böhrer kann zweifelsfrei belegt werden, dass der Ermordete Simon (nicht wie im Artikel genannt: Samuel) Rosenbaum war. Er hatte einen Bruder Samuel, weswegen möglicherweise die Verwechslung im nachstehenden Presseartikel des "Israelit" zustande gekommen ist.        

Schonungen Israelit 29051878.jpg (114310 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1878: "Aus Unterfranken. Vor Kurzem trug sich in hiesiger Gegend folgendes traurige Ereignis zu: Samuel Rosenbaum, genannt Frumele aus Schonungen, begab sich vor einiger Zeit nach dem in dortiger Nähe befindlichen Dorfe Hambach, woselbst er mit dem dortigen Ökonomen und Weber Alexander A. - der nebenbei gesagt in letzterer Zeit in herabgekommenen Verhältnissen lebend, - in geschäftlichen Angelegenheiten verwickelt war. Der Bauer wusste den israelitischen Handelsmann durch falsche Vorspiegelungen in den Stall zu locken und schlug ihm daselbst mit einer Keule auf den Kopf, sodass Rosenbaum sofort zusammenstürzte. Hiermit noch nicht zufrieden, schleppte er sein Opfer in den Scheune, stieg mit demselben die Leiter empor und stürzte den völlig Betäubten hinter auf den Boden, warf ihn dann, da er ihn für tot wähnte, in einen Hohlweg hinter der Scheuer und glaubte ihn da sicher geboren zu haben.  
Ein Gendarm, dem der Sohn des Rosenbaum noch an demselben Tage Anzeige machte, fand den israelitischen Handelmann am andern Morgen anscheinend in den letzten Lebenszügen liegend, im Hohlwege, die an ihn gestellten Fragen konnte er nicht mehr beantworten, da er gleich darauf seine Seele aushauchte. 
A. wurde, als der Tat verdächtig, gleich verhaftet, in die Frohnfeste nach Schweinfurt überbracht, leugnete anfangs, und warf sein Alibi ein, wurde aber doch überwiesen und am 9. Mai dieses Jahres vom Kriminalgericht in Würzburg zu 8-jähriger Zuchthausstrafe verurteilt. M.E."     

   
Zum Tod von Lazarus Steinberger 1904, "geistiger Mittelpunkt" der jüdischen Gemeinde Schonungen über mehrere Jahrzehnte

Schonungen Israelit 14111904.jpg (204606 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. November 1904: "Schonungen bei Schweinfurt. Unsere kleine Gemeinde hat einen schweren, nahezu unersetzlichen Verlust erlitten. Herr Lazarus Steinberger hat am Chaje Sara (gemeint: am Schabbat mit der Toralesung Chaje Sara, d.i. 4. November 1904) nach mehrwöchentlichem Krankenlager seine reine Seele ausgehaucht. Der Verblichene war eine jener Erscheinungen, wie sie heutzutage, namentlich auf dem Lande, immer seltener werden. Mit reichem religiösem Wissen verband er frommen Sinn, strengste Redlichkeit in Handel und Wandel, und trotz fast dreiunddreißigjährigen Gichtleidens stets gleichmäßige, freundliche Liebenswürdigkeit, Geduld und inniges Gottvertrauen. Fast ein halbes Jahrhundert hindurch fungierte er, namentlich an den hohen Festen, als Vorbeter, gleich ausgezeichnet durch herrliche Stimmmittel wie durch würdigen verständnisvollen Vortrag. Die schönen Gottesdienste in Schonungen genossen weit und breit besten Ruf. Der Verblichene bildete den geistigen Mittelpunkt seiner Gemeinde und namentlich sein exaktes, völlig fehlerfreies Toralesen fand weiteste Anerkennung. Auch in der politischen Gemeindeverwaltung nahm er lange Jahre hindurch eine sehr einflussreiche Stellung ein. Sein Leichenbegängnis legte Zeugnis ab von der allseitigen Verehrung, die er genoss. Herr Rabbiner Dr. Stein - Schweinfurt, war herbeigeeilt und gab in ergreifender Rede vor dem Trauerhause dem allgemeinen Schmerze um den frühen Heimgang des Verblichenen Ausdruck, der nur ein Alter von 64 Jahren erreicht hatte und entrollte ein wahrheitsgetreues Lebensbild des Entschlafenen, den er seit 28 Jahren kannte und der ihm ein lieber Freund gewesen. Die Leiche wurde nach dem altehrwürdigen Zentralfriedhofe in Kleinsteinach überführt. Am Grabe sprach Herr Lehrer Sichel aus Schonungen in längerer Rede namens der Gemeinde Schonungen, den Heimgegangenen auch als besonderen Freund der Schule und des Lehrerstandes schildernd. Nachdem noch Herr Lehrer Anfänger, Schwiegersohn des Verblichenen in bewegten Worten namens der Gesamtfamilie Abschiedsworte dem teuren, unvergesslichen Vater gewidmet hatte, wurde der Sarg ins Grab gesenkt. Selten wohl hat man noch in Schonungen einen ähnlichen Leichenzug gesehen. Glaubensgenossen wie Andersgläubige wetteiferten in Bezeigung aufrichtigster Teilnahme. Möge der Verblichene für uns alle ein bleibendes Vorbild (frei übs.) sein! Das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen. M."  

   
Diamantene Hochzeit von Moritz Frank und seiner aus Schonungen stammenden Frau Sofie Frank geb. Rosenberger (1933) 
vgl. Foto des Grabsteines für Sofie Frank geb. Rosenberger im jüdischen Friedhof Erfurt unten   

Schonungen Israelit 19011933.jpg (31082 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Januar 1933: "Saalfeld (Thüringen), 18. Januar (1933). Am 29. Januar feiern die Priv. Eheleute Moritz und Sofie Frank (geb. Rosenberger aus Schonungen) in Saalfeld (Thüringen) das seltene Jubiläum der diamantenen Hochzeit. Die beiden 88-jährigen Jubilare erfreuen sich bester geistiger und körperlicher Frische". 

  
 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen (1884)   
Anzeige des Lehrers S. Pfeifer (1884)     

Schonungen Israelit 13031884.jpg (29363 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1884: "Ein Konditorgeselle, der selbständig arbeitet, sucht auf Ostern eine Stelle in einer größeren Stadt. Nähere Auskunft erteilt S. Pfeifer, Lehrer in Schonungen (Bayern)."   

   
  
Sonstiges 

 Postkarte von H.F. Kugelmann in Bad Kissingen
an Nathan Laubner in Schonungen (1899)
 
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
     

Die Postkarte an Herrn Nathan Laubner in Schonungen wurde versandt von H.F. Kugelmann in Bad Kissingen am 28. August 1899. Zum Text der Karte: "Der Verkauf findet Montag 3. Sept. statt. Ob Antiquitäten zuerst an die Reihe kommen kann ich nicht erfahren; jedenfalls nimmt der Verkauf nach Anwesenheit der betreff. Liebhaber seinen vorgesehenen Verlauf. Geschäft ist flau. – Gruß – H.F. Kugelmann. 28 Aug. 1899". Im Adressbuch von Kissingen aus dem Jahr 1865 findet sich im Annoncenteil eine Werbeanzeige vom "Bank- und Wechselgeschäft - Antiquitäten - H.F. Kugelmann" (siehe oben).
Im Verzeichnis I – Geschäfts-, Handel- und Gewerbsstand findet sich unter "Antiquitätenhändler" – Hr. Kugelmann, H.F. – ebenso unter "Banquier". Die Familie Kugelmann war eine alt eingesessene jüdische Familie in Bad Kissingen. Schon im Kissinger Adressbuch 1838 findet sich in der Rubrik "Israelitische Handlungen" der Name von Feibel Kugelmann.
Der Postkartenempfänger Nathan Laubner in Schonungen war von Beruf Antiquar. Er war verheiratet mit Fanny geb. Blümlein. Das Ehepaar hatte einen Sohn – Jakob Laubner, der am 15.07.1942 aus München nach Theresienstadt deportiert wurde und am 08.09.1942 in Theresienstadt umgekommen ist. 
Quelle: https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=personenliste&tx_mucstadtarchiv_stadtarchivkey%5Bopferid%5D=7166&tx_mucstadtarchiv_stadtarchivkey%5Baction%5D=showopfer&tx_mucstadtarchiv_stadtarchivkey%5Bcontroller%5D=Archiv&cHash=8370e1b7e9d6205a2abc0d070331ee81         

     
      
      
Zur Geschichte der Synagoge      
("Die schönen Gottesdienste in Schonungen genossen weit und breit besten Ruf", Zitat aus obigem Nachruf für Lazarus Steinberger)    
   
Schon bald nach der Ansiedlung der ersten jüdischen Familien konnten diese eine Synagoge erbauen ("Judenschule"). Nach den Angaben bei Josef Ryba (siehe Literatur) geschah dies 1740. Dies deckt sich mit einer Quelle aus dem Staatsarchiv Würzburg von 1817 (Hinweis von Elisabeth Böhrer vom 13.12.2008), wonach die Synagoge damals etwa 70 Jahre alt war. Darin ist zu lesen: "Zu Schonungen befindet sich eine jüdische Synagoge, welche vor etwa 70 Jahren zu diesem Zweck besonders erbaut wurde. Über die obrigkeitliche Conseßion kann keine Urkunde aufgebracht werden, jedoch ist solche allerdings zu vermuthen."      
   
1850/51 wurde die Synagoge umfassend renoviert. Bei einem Großbrand des Dorfes am 26. September 1853 wurden zahlreiche Gebäude des Ortes, darunter auch die Synagoge völlig zerstört. Selbst die Ritualien einschließlich der Torarollen wurden allesamt vernichtet. Da die meisten jüdischen Familien selbst Hab und Gut verloren hatten, war es ihnen unmöglich, den Wiederaufbau der Synagoge zu bezahlen. 

Schonungen AZJ 17101853.jpg (169762 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Oktober 1853: "Hilferuf an alle Menschenfreunde! (*Anmerkung: uns vom israelitischen Religionslehrer zu Schonungen zugesandt).
Brüder! ein furchtbares Unglück hat die Gemeinde Schonungen königlichen Landgerichts Schweinfurt getroffen! Gestern bei einem wütenden Südweststurm kam, als eben der um 9 1/2 dahier eintreffende Bahnzug vorübergeeilt war, in einer der Bahn nahe an der südwestlichen Seite des Dorfes gelegenen Scheune Feuer aus, welches mit einer solchen Schnelligkeit sich über das ganze Pfarrdorf verbreitete, dass schon nach einer Stunde auch das ganze 700 Seelen zählende Dorf mit Kirche und Schule in vollen Flammen stand. Heute sehen wir vor uns nur einen rauchenden Schutthaufen! Von Häusern blieben nur 4 stehen, und diese sind beschädigt. Die Einwohner, der Mehrzahl nach unbemittelte Arbeiter, konnte fast gar nichts retten. Siebenhundert Seelen sind ohne Obdach. Jammervoll irren sie heute umher! Bei der unglaublichen Schnelligkeit, mit der sich das Feuer verbreitete, ging selbst sehr viel Vieh mit zu Grunde. Auch zwei Menschen, so viel bis jetzt bekannt, kamen in den Flammen um. Die unglückliche Gemeinde ist jetzt nur auf ihre barmherzigen Mitmenschen angewiesen. Von Seiten der Stadt Schweinfurt und den benachbarten Gemeinden wird wohl alle mögliche Hilfe geleistet! Allein das Unglück ist zu groß! Auch an euch, entfernte Brüder in Bayerns Gauen, auch an euch muss sich daher das unterzeichnete Hilfskomitee wenden. Wir sind überzeugt, dass wir keine Fehlbitte tun. Tretet zusammen! Sammelt Liebesgaben! Wer schnell gibt, gibt doppelt. Könntet Ihr einen Blick auf diesen Jammer tun, sähet Ihr die obdachlosen Familien, hörtet Ihr das Jammerrufen der Kinder, denen jetzt Wohnung, Nahrung, Kleidung und Betten fehlen, Ihr würdet unsern Aufruf für gerecht, ja für eine heilige Pflicht erachten!
Wir ersuchen alle Zeitungsblätter, diesem Aufrufe ihre Spalten zu öffnen, nach der hierfür noch zu erwirkenden allerhöchsten Genehmigung milde Gaben zu sammeln und dieselben zu senden an das unterzeichnete mit Genehmigung des königlichen Landgerichts gebildete Hilfskomitee.  
Schonungen bei Schweinfurt a.M., 27. September 1853. Landrichter Sotier, Forstmeister Hofmann, Pfarrer Balling, Lokalkaplan Gundermann, Mühlbesitzer Grobe, Fabrikbesitzer Anton Sattler, Baumeister Lohray, Kaufmann Blank. 
    
Aus dem obigen Aufruf ging noch nicht hervor, wie schwer auch die jüdische Gemeinde in Schonungen unter dem Brandunglück gelitten hatte. Erst im Februar 1854 erschien ein Aufruf, der die Sammlung von Spenden für die jüdische Gemeinde zum Ziel hatte.
    
Schonungen AZJ 13021854.jpg (234973 Byte)Schonungen in Unterfranken, Februar 1854. Das furchtbare Brandunglück, von welchem am 26. September vorigen Jahres das Dorf Schonungen bei Schweinfurt heimgesucht wurde, traf auch die Israeliten daselbst nicht nur im Einzelnen, sondern auch als Kultusgemeinde so schwer, dass wir uns berechtigt halten, in dieser letztern Hinsicht die besondere Hilfe der Glaubensgenossen in Anspruch zu nehmen.
Bei jenem Brande wurde nämlich auch die Synagoge, welche erst vor drei Jahren von den hiesigen Kultusmitgliedern ohne fremde Beihilfe hübsch und angemessen repariert worden war, ein Raub der schnell um sich greifenden Flammen, sodass auch nicht einmal die Tora-Rollen gerettet werden konnten. Es ist nun vor Allem hierfür, aber auch für ein Schulhaus Sorge zu tragen, da man in Schonungen so bald keine Mietwohnung hierzu wird haben können. Die aus 14 Familien bestehenden schwergeprüften Gemeindegenossen vermögen aber wenig zu leisten, da kein Einziger derselben vom Unglück verschont geblieben ist, und Mehrere so bedeutende Verluste erlitten haben, dass sie nur mit Sorgen an die weitere Ernährung ihrer Familien denken können. Sie dieselben doch auch jetzt noch, teils hier in armseligen Hütten wohnend, teils in der Umgegend zerstreut, an der Ausübung ihrer Geschäfte gehindert! 
Wir werden uns daher in dieser Not an den religiösen Sinn und an die so vielfach bewährte Mildtätigkeit unserer Glaubensbrüder mit der dringenden Bitte, uns zu den eben bezeichneten religiösen Zwecken Beistand zu leisten, damit die hiesigen Israeliten, wenn sie wieder ihre Wohnungen beziehen, sich auch wieder in einem dazu bestimmten Gebäude zum Höchsten wenden, und dadurch von ihrem Unglücke sich aufrichten mögen, und damit dann auch der religiöse Unterricht ihrer Kinder wieder ohne Hindernis beginnen kann.
Die gütigen Beiträge wollen die geehrten Geber an den zuerst Unterzeichneten übersenden.
Das Komitee zur Erbauung der Synagoge und Schule in Schonungen.
M. Lebrecht, Distriktsrabbiner zu Niederwerrn
Götz Blümlein  Hieronymus Blank  Samuel Fleischmann  Michael Kleemann, Religionslehrer.
 
Schonungen Synagoge 24051854.jpg (40627 Byte)Anzeige im "Königlich-bayerischen Kreis-Amtsblatt der Pfalz" vom 17. Mai 1854: "...den 18. Mai 1854. (Die Bitte der israelitischen Kultusgemeinde zu Schonungen im Bewilligung einer Collekte betreffend)  
Im Namen Seiner Majestät des Königs. 
Seine Majestät der König
haben für den Neubau einer Synagoge zu Schonungen, Königlichen Landgerichts Schweinfurt, die Vornahme einer Sammlung in allen Synagogen des Königreiches allergnädigst zu bewilligen geruht.  Die Königlichen Landcommissariate werden daher beauftragt wegen des Vollzuges dieser Sammlung das Weitere zu verfügen und die eingegangenen Sammelgelder binnen sechs Wochen an die unterfertigte Stelle einzusenden. 
Speyer, den 9. Mai 1854. 
Königlich Bayerische Regierung der Pfalz, 
Kammer des Innern. Hohe. Ernesti."   
  
Erfreulicherweise gingen auf den Aufruf des Komitees und auf den Aufruf zur Sammlung in den Synagogengemeinden Bayerns recht bald großzügige Spenden ein. Einen Zwischenbericht hierzu gab Distriktsrabbiner Lebrecht in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" am 19. Juni 1854:
  
Schonungen AZJ 19061854.jpg (182120 Byte)"Schonungen, 24. Mai. Zur Erbauung der Synagoge und Schule dahier sind bei dem Unterzeichneten bis jetzt folgende Beiträge eingegangen: 
Von Baiersdorf (sogleich nach dem Franke, außer den Gaben für die Verunglückten selbst) 6 Fl., Speyer 17 fl. 38 Kr., Gleichwiesen bei Hildburghausen 6 Fl., Walldorf 5 Fl. 24 Kr., Herren Jos. Simons Söhne in Coburg 10 Fl., Baisingen in Württemberg 9 Fl., Weikersheim 8 Fl. 28 Kr., Jebenhausen 10 Fl., Pflaumloch 13 Fl. 27 Kr., Niederstetten 5 Fl. 8 Kr., Messelhausen in Baden 8 Fl., Merchingen 5 Fl., Eichstetten 11 Fl., Grünsfeld 5 Fl. 24 Kr., Sulzburg 14 Gl. 18 Kr., Soest 10 Thlr. 14 Sgr., Erfurt 8 Thlr 13 ½ Sgr., Schwarza 6 Thlr., Schleusingen 4 Thlr. In Summa 190 Fl. 36 ¼ Kr. und 28 Thlr. 27 ½ Sgr.
Indem ich den teilnehmenden Gebern im Namen unserer väterlichen Religion, sowie im Namen der Verunglückten den herzlichsten Dank abstatte, erlaube ich mir, den Wunsch beizufügen, dass auch andere, besonders aber die größeren Gemeinden mit ihren Gaben nicht zurück bleiben möchten.
Aus Bayern ist mir, mit Ausnahme der beiden erstgenannten Orte, nichts zugekommen, weil die Kollekte, zu welcher die Königliche Genehmigung erforderlich, und auch bereits erfolgt ist, durch die Behörden vorgenommen wird. Wir geben uns der Hoffnung hin, dass die Glaubenbrüder in diesem unserem engern Vaterlande uns ihren Beistand nicht versagen werden.   
M. Lebrecht, Distrikts-Rabbiner zu Niederwerrn."
    
Bald reichten die Spenden aus, um den Neubau der Synagoge durchzuführen. Insgesamt war die Gemeinde mit einer Summe von über 3.000 Gulden unterstützt worden. 1855/56 wurde der Neubau ausgeführt. Am 20. Juni 1856 konnte mit einem großen Fest des ganzen Ortes die Synagoge durch Bezirksrabbiner M. Lebrecht eingeweiht werden. Lebrecht berichtete in der Allgemeinen Zeitung:
   
Schonungen AZJ 01091856.jpg (251961 Byte)Allgemeine Zeitung des Judentums vom 1. September 1856: "Schonungen, im Juli (1856). Zu meinen frühern Berichten von hier aus, die Erbauung der abgebrannten Synagoge und Schule betreffend, erlauben Sie mir wohl noch den Schluss beizufügen. Zu den früher schon angezeigten Gaben von ca. 362 Fl. erhielt ich noch von Dieburg 11 Fl. Außerdem kamen der Gemeinde noch zu von Brüssel 70 Fl. 11 ½ Kr., von Karlsruhe 16 Fl. 58 Kr., von Mainz 175 Fl., von Frankfurt a.M. 164 Fl., sodass die gesamte Hilfe, welche von unsern Glaubensgenossen außerhalb Bayerns uns zukam, mit Abrechnung der früher mit eingerechneten gaben, von den bayerischen Orten Baiersdorf und Speyer zu 23 Fl. 38 Kr., die Summe von circa 776 Fl. Beträgt. Aus Bayern erhielten wir von Unterfranken 1.250 Fl. incl. 100 Fl. aus der J. von Hirsch’schen Stiftung und 200 Fl. aus einer besondern Sammlung in Würzburg, von den übrigen Kreisen 1.000 Fl. incl. 100 Fl. aus einer besondern Sammlung in Fürth. Die Gemeinde wurde demnach mit einer Summe von circa 3.000 Fl. unterstützt. In Wahrheit ein Resultat, welches zeigt, dass der frühere Wohltätigkeitssinn noch nicht aus unserer Mitte gewichen ist, wenn er auch nicht bei allen Gelegenheiten und nicht ohne Anregung sich zeigt. Durch diese Unterstützung, wozu auch noch fünf Tora-Rollen kamen, und eine Summe von 800 Fl. aus der Brand-Versicherungs-Anstalt, wurde es der Gemeinde möglich, mit der Summe von circa 4.500 Gulden ein Gebäude herzustellen, welches eine Synagoge und eine Wohnung für den Religionslehrer nebst Lehrzimmer enthält, und welches sowohl von außen als von innen schön, zweckmäßig und würdig hergerichtet ist. Freitag, 20 Juni (1856) abends fand im Beisein der vorgesetzten königlichen Behörde und so vieler Menschen, als die Synagoge fassen konnte, die feierliche Einweihung mit Gesängen, Predigt, Weihegebet und den üblichen Zeremonien statt. Dass auch der wohltätigen Unterstützung, welche der Gemeinde zuteil geworden, mit Segen gedacht würde, versteht sich von selbst. Konnte ja nur durch die gemeinsame Hilfe das Gebäude hergestellt werden. Möge Gott die fromme Teilnahme lohnen!   M. Lebrecht."  

80 Jahre lang war die Synagoge das gottesdienstliche Zentrum der jüdischen Gemeinde Schonungen, obwohl es in den 1920er-Jahren bereits schwer wurde, regelmäßig die geforderte Zehnzahl der jüdischen Männer zum Gebet zu erreichen.  
  
In der NS-Zeit kam auch in Schonungen das Ende des gottesdienstlichen jüdischen Lebens. Bereits 1937 forderte die Ortsgruppe der NSDAP von der Kreisleitung in Schweinfurt, die Synagoge des Dorfes "nützlicheren Zwecken" zuzuführen. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge teilweise, die gesamte Inneneinrichtung einschließlich der Ritualien völlig zerstört.  
   
Das beschädigte Synagogengebäude und das jüdische Gemeindehaus überstanden die Kriegsjahre. Einige Zeit wurde das Gebäude als Feuerwehrhaus zweckentfremdet, dann zu einer Autogarage und Wohnhaus umgebaut. Eine Gedenktafel am Gebäude war 1986 kurze Zeit vorhanden mit der Inschrift: "Dieses Gebäude, dessen Inneneinrichtung 1938 zerstört wurde, diente der jüdischen Kultusgemeinde Schonungen als Synagoge. Zur Erinnerung und zum Andenken an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger". Schräg gegenüber dem Synagogengebäude steht ein Gedenkstein: "Zur Erinnerung an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger als Mahnung zu Toleranz und Menschlichkeit". 
    
    
Adresse/Standort der SynagogeBachstraße 21  
   
   
 Fotos   

Das ehemalige Synagogengebäude 
(eingeweiht 1856, geschändet 1938) 
Schonungen Synagoge 176a.jpg (68290 Byte) Schonungen Synagoge 176.jpg (56614 Byte)
    Ansicht des Synagogengebäudes vor dem Umbau - mit Ausschnittvergrößerung rechts
(Foto erhalten von Bernhard Vocke, München; Pfarrer in Schonungen bis 2010) 
Das Foto in höherer Auflösung  
      
 Das Synagogengebäude 
nach dem Umbau
aus: 
Schonungen Synagoge 200.jpg (143210 Byte)
           
         
1986 angebrachte Hinweistafel, 
die nach kurzer Zeit 
wieder entfernt wurde
Schonungen Synagoge 290.jpg (150960 Byte)
  Text der Tafel siehe oben; die Hinweistafel ist abgebildet in: 
Rudolf Metz. Schonunger Chronik 1986 S. 120. 
     
 Das ehemalige 
Synagogengebäude 2007 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 9.4.2007)
Schonungen Synagoge 103.jpg (80852 Byte) Schonungen Synagoge 102.jpg (77542 Byte)
   Die Zerstörung des ehemaligen Synagogengebäudes wurde durch weitere Umbauten
 vollendet: nicht nur die hohen Rundbogenfester - selbst das Rundfenster im 
Giebel des Gebäudes wurden beseitigt
     
 Schonungen Synagoge 265.jpg (78485 Byte) Schonungen Synagoge 100.jpg (118359 Byte) Schonungen Synagoge 101.jpg (133787 Byte)
 Eine der erhalten gebliebenen Ecklisenen
 aus der Synagogenzeit (Foto: E. Böhrer,
 Aufnahmedatum 20.5.2010)
Gedenkstein gegenüber der Synagoge
  
        
Denkmal für die deportierten jüdischen Einwohner am Alten Rathaus  
(Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmen vom 22. April 2012)   
Nachdem die Verlegung von "Stolpersteinen" in Schonungen auf Grund des Widerstandes
 einzelner Einwohner vom Gemeinderat abgelehnt wurde, ist ein Denkmal mit 
den Namen der direkt aus Schonungen deportierten Juden (dazu das Ehepaar Rosenberger)
 erstellt worden.
Vgl. dazu Presseartikel in der "Main-Post" vom 23.4.2012
 Auf dem Denkmal sind die Namen der sechs 
am 22./25. April 1942 deportierten jüdischen
 Einwohner genannt, dazu das Ehepaar
 Rosenberger, welches im Mai 1942 nach
 Würzburg kam und von dort aus nach
 Theresienstadt deportiert wurde.
 Schonungen Gedenken 119.jpg (155585 Byte) Schonungen Gedenken 123.jpg (151395 Byte) Schonungen Gedenken 120.jpg (142600 Byte)  Schonungen Gedenken 121.jpg (144459 Byte)  Schonungen Gedenken 122.jpg (176790 Byte)
 Links: vor der Enthüllung; rechts das 
Denkmal mit den Namen der
 deportierten Schonunger Juden
Teilansicht 
des Denkmales
 "Wir gedenken der deportierten
 jüdischen Mitbürger Schonungens" 
     
 Das Foto oben rechts in hoher Auflösung   Das Foto oben rechts in hoher Auflösung    
     
     
Denkmal für die Gefallenen mit den im März 2012 ergänzten Namen der 
jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkrieges
 
(Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmen vom 22. April 2012) 
Schonungen Gefallenendenkmal 010.jpg (147257 Byte) Schonungen Gefallenendenkmal 011.jpg (105614 Byte) Schonungen Gefallenendenkmal 012.jpg (121673 Byte)
 Die Namen der jüdischen Gefallenen sind Simon Rosenbaum, Simon Jac. Rosenbaum, Isidor Steinberger und Siegfried Stern. 
Die Tafel ist in in der "Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewalt" in der ehemaligen Friedhofshalle des alten Friedhofes 
an der Hofheimer Straße angebracht.  
     
     
Andernorts entdeckt Erfurt Friedhof 286.jpg (149575 Byte)  
  Im jüdischen Friedhof in Erfurt: Grabstein
 für Sophie Frank geb. Rosenberger 
(1845 Schonungen - 1935 Saalfeld) 
 
   

     
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

Mai 2010: In Schonungen wird es nach dem Beschluss des Gemeinderates keine "Stolpersteine" geben   
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 7. Mai 2010 (Artikel): 
"Stolperstein-Projekt ist gescheitert - In Schonungen wird es keine Gedenksteine geben
Der schwere Umgang mit der eigenen Geschichte zeigt sich beispielhaft in Schonungen. Gedenksteine mit den Namen der jüdischen Einwohner, die Opfer des Holocaust geworden sind, wird es in absehbarer Zeit nicht geben.  

Sammy Golde denkt jeden Tag an den Holocaust. Auch wenn er selbst die Zeit der Judenverfolgung nicht erlebt hat: Der Münchner Geschäftsmann ist ein Nachfahre von Raphael und Zilly Rosenberger, die in Schonungen gelebt haben und in Theresienstadt ermordet worden sind. Als Teil des millionenfachen Genozids, den Deutsche unter nationalsozialistischer Herrschaft in ganz Europa systematisch vollzogen haben. Golde sieht sich und seinen Werdegang stark beeinflusst vom Schicksal seiner Familie. Bis zum heutigen Tag. In Schonungen dagegen ist dies kein öffentliches Thema, und der Umgang damit zeigt, wie schwer wir uns Deutsche auch 65 Jahre nach der Befreiung der Konzentrations- und Vernichtungslager durch alliierte Truppen mit dem schwärzesten Kapitel unserer Geschichte tun. Gerade dann, wenn es sich vor der eigenen Haustür abgespielt hat. 
Ausgangspunkt ist eine Handteller große Messingplatte: In ihr werden Name und persönliche Daten von Menschen eingraviert, die im Holocaust umgebracht worden sind. Verlegt werden die auf einen Betonwürfel montierten Platten in den Gehwegen vor den jeweiligen Wohnhäusern – als 'Stolpersteine'. So sehen es das Konzept und die Geschäftsidee des Kölner Künstlers Gerhard Demnig vor. 95 Euro kostet ein Stein, 22 000 hat er nach eigenen Angaben in Trottoirs in ganz Europa – unter anderem in Bad Kissingen – eingebaut, auch wenn der Zentralrat der Juden zu dieser Form des Mahnens auf Distanz geht. 
Schonungen Dok 0101.jpg (20728 Byte)In Schonungen hat ein Würzburger Privatmann den Stein im November 2008 ins Rollen gebracht, mit Stolpersteinen an die ehemaligen jüdischen Einwohner Schonungens zu erinnern. Vor dem Haus mit der Adresse Hauptstraße 14. Dort lebten Raphael und Zilly Rosenberger, die Urgroßeltern von Sammy Golde. Ihren Werdegang hat er vor neun Jahren für einen aufwühlenden Vortrag in München aufgeschrieben. Seine Großeltern siedelten 1937 angesichts der immer stärker werdenden Schikanen und des drohenden Unheils nach Palästina über. Ihre gebrechlichen Eltern Raphael und Zilly Rosenberger mussten sie zurücklassen. Ein unsagbar schwerer Schritt, den Goldes Großmutter nie verwunden hat. Und letztlich auch seine Mutter nicht, wie er sagt. Sie kam in Israel nicht zurecht und wanderte nach Bayern aus. Der Holocaust hat seine Kindheit und auch sein heutiges Leben schwer belastet, sagt Golde.
(das Foto zeigt Zilly (links) und Raphael Rosenberger (rechts) mit ihren Kindern Siegmund und Käthe; Quelle: Archiv Golde).   
Was passierte mit dem Haus? 1939 entzog die Gemeinde den Rosenbergers das Nutzungsrecht; ein Beschluss, dessen offizielle Rücknahme Golde nach wie vor einfordert. Dann kaufte eine Schonunger Familie das Haus. Für 8000 Reichsmark. Golde spricht von 'Raub'. Der Grundbucheintrag stammt von 1941; ein Jahr später wird das alte Ehepaar Rosenberger ins KZ verschleppt. 
Die direkten Nachfahren des Käufers, den Golde nur 'den Arisierer' nennt, wohnen heute im Haus. Für Sammy Golde hält gerade wegen dieses unter Zwang abgeschlossenen Geschäfts das Unrecht weiterhin an. Er hat dazu einen sehr drastischen Standpunkt: 'Die Leute hätten auf ihr Erbe verzichten können.' Juristisch ist die Angelegenheit dagegen längst zu den Akten gelegt. Zu einer von Rosenbergers Nachkommen verlangten Rückgabe ist es nicht gekommen; 1957 haben sich die Familien nach jahrelangen Auseinandersetzungen auf einen Vergleich geeinigt. 
Weiter ins Jahr 2008: Nach dem Stolperstein-Antrag hat die Gemeinde offenbar kein Interesse an einer öffentlichen Diskussion: Die Volksvertreter beraten darüber hinter verschlossenen Türen. 'Wir wollten die Hausbesitzer schützen', sagt Bürgermeister Kilian Hartmann. Und will von sich aus nicht einmal die vier Häuser benennen, um die es geht. Bei einem positiven Abschluss, so versichert er, hätte man das Thema in einer öffentlichen Sitzung behandelt. Einig war man sich im Gremium, nicht nur Steine für Raphael und Zilly Rosenberger, sondern für alle im Jahr 1942 verschleppten und später ermordeten Juden zu verlegen. Vier Häuser, acht Steine. Eine Haltung, die Sammy Golde auf die Palme bringt: 'Das stellt für mich eine Fortsetzung einer unseligen autoritären verallgemeinernden Politik dar: alle in einen Topf.' 
Doch bei den Recherchen stößt die Gemeinde auf Probleme: Vor dem Eckhaus in der Hofheimer Straße 18 gibt es nur einen schmalen Streifen, der nicht als Gehweg genutzt werden kann, in der angrenzenden Bauerngasse fehlt er komplett. Keine Chance, einen Stolperstein nach Demnigs Vorgaben einzulassen. Das leerstehende Haus in der Kleinen Gasse 1 ist in einem verwahrlosten Zustand. Ein unpassender Ort für Mahnmale, befanden die Gemeindeoberen. 
Sie kreierten den Alternativplan, alle acht Stolpersteine gesammelt an einem Ort zu verlegen. 'Es waren genug Paten da, den Rest hätte die Gemeinde finanziert', sagt Hartmann. Doch Künstler Demnig, der sich die Verhältnisse vor Ort nicht anschauen mochte, hielt an seinem Konzept fest, dass die Steine nur vor den betreffenden Häusern eingebaut werden dürfen. Damit war das Projekt im vergangenen September gescheitert. 'Wir bedauern das sehr. Wir haben uns alle Mühe gegeben', sagt Hartmann; an der Bereitschaft der Gemeinde habe es nie gefehlt. Nun nahm Golde einen Anlauf und stellte selbst einen Antrag für seine Urgroßeltern Raphael und Zilly Rosenberger. Die Gemeinde bleibt aber bei ihrem Vorhaben: entweder Steine für alle oder für keinen. Letztlich, so sagen auch Ratsmitglieder hinter vorgehaltener Hand, geht es aber wohl darum, die heutigen Eigentümer nicht tagtäglich über ihre Familiengeschichte stolpern zu lassen. Zwei von ihnen sind der Redaktion namentlich bekannt. Beim Versuch der Kontaktaufnahme ist kein großes Interesse an dem Thema erkennbar, einer legt den Telefonhörer unvermittelt auf. 
Bürgermeister Hartmann signalisiert, sich zu einem späteren Zeitpunkt des Themas nochmal annehmen zu wollen. Vielleicht gibt es eine Gedenktafel für die acht Opfer. So bleibt es aber zunächst bei den dürftigen Erinnerungen an das Leben der jüdischen Bevölkerung, die bei einem Rundgang durch die Gemeinde zu erspähen sind: 2002 ist in der Bachstraße ein Mahnmal für die jüdischen Bürger aufgestellt worden. Warum darauf keine Namen stehen, kann Bürgermeister Kilian Hartmann im Nachhinein nicht sagen. Nicht einmal am Gebäude der gegenüberliegenden Synagoge erinnert eine Tafel an seine frühere Funktion. 
Und auch das bislang einzige Werk über die Ortsgeschichte, das Pfarrer Josef Ryba 1966 verfasst hat, verwendet magere zweieinhalb Seiten für die jüdische Gemeinde. Typisch für heimatgeschichtliche Bücher dieser Zeit. Über den Holocaust liest man einen einzigen lapidaren Satz auf Seite 114: 'Die Kristallnacht 1938 machte auch der Schonunger Judengemeinde ein Ende.' Der Verladung der Kirchenglocken, die als kriegswichtiger Rohstoff eingeschmolzen worden sind, räumt der Autor deutlich mehr Platz ein. 
Immerhin listet er die Adressen der jüdischen Einwohner auf, die 1937 im Ort gelebt haben. In der Hauptstraße 14 Rosenberger I. Die Urgroßeltern von Sammy Golde, der tagtäglich an ihr Schicksal denkt und seines damit eng verwoben sieht. Geschichte ist für ihn Gegenwart."
Rechts: ehemalige jüdische 
Wohnhäuser in Schonungen 
Schonungen Ort 050.jpg (48202 Byte) Schonungen Ort 051.jpg (51647 Byte)    
  
Mai 2010: Die negative Entscheidung in "Schonungen" im Blick auf die Stolpersteinverlegung ist einmalig 
Artikel von Livia Rüger in der "Main-Post" vom 14. Mai 2010 (Artikel): "WÜRZBURG/SCHONUNGEN
Stolpern über Stolpersteine - Die Erinnerungsstücke an Opfer von NS-Deportationen kommen nicht in allen Gemeinden Unterfrankens gut an

Man entdeckt sie erst, wenn man kurz vor ihnen steht. Doch dann heben sie sich vom tristen Grau der Bürgersteige ab – Stolpersteine. Das sind kleine Betonsteine mit einer Messingplatte auf der Oberseite, in die Namen, das Geburtsjahr, das Deportationsjahr und der Todesort von NS-Opfern eingraviert sind. Wenn möglich, sind diese Platten in Gehwege vor dem letzten freigewählten Wohnsitz der jeweiligen Person eingelassen. Insgesamt findet man in Europa bereits über 22 000 Steine, in Unterfranken scheiden sich an ihnen allerdings die Geister.
'Ich empfinde es als eine Lebensaufgabe, mich für die Stolpersteine einzusetzen', erzählt Helmut Försch aus Würzburg, der sich dort in der 'Bürgerinitiative Stolpersteine' engagiert. Die Idee, die hinter dem Projekt des Künstlers Gunter Demning steckt, hat den 82-Jährigen sofort begeistert. 'Die Nazis haben versucht, systematisch die Leute, die nicht in ihr Konzept gepasst haben, auszulöschen. Deswegen hatten die Insassen in den Konzentrationslagern auch nur Nummern und keine Namen mehr. Mit den Stolpersteinen wirken wir dem Auslöschen entgegen, weil wir wieder konkret an Personen erinnern.'
Wie es scheint, ist Försch mit seiner Begeisterung nicht alleine. In Würzburg sind bereits 269 Stolpersteine in den Boden eingelassen. Ins Rollen gebracht hat die Verlegung der Gedenksteine in Würzburg die Stadträtin Benita Stolz. Als sie von dem Projekt in Kitzingen hörte, schaute sie sich zusammen mit Helmut Försch die Verlegung an und gründete die 'Bürgerinitiative Stolpersteine'. Da es öffentlicher Grund ist, auf dem die Steine verlegt werden, muss die Stadt darüber entscheiden, ob sie die Verlegung zulässt. Der Stadtrat ließ sich allerdings von der Bürgerinitiative überzeugen und genehmigte mit nur einer Gegenstimme die Stolpersteine.
In anderen Städten und Gemeinden haben die Einwohner ein Mitspracherecht, ob die Gedenksteine vor ihren Häusern verlegt werden dürfen oder nicht. Ein Beispiel hierfür ist Marktbreit (Lkr. Kitzingen). Ohne Einverständniserklärung der jeweiligen Bürger geht hier gar nichts. 'Das ist eben nicht jedermanns Sache. Soweit ich mich erinnere, haben sich nur zwei Personen gegen Stolpersteine vor ihrem Haus ausgesprochen', sagt Erich Hegwein, Gemeinschaftsvorsitzender von Marktbreit.
Allerdings kommen die Gedenksteine nicht überall in Unterfranken gut an. Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) hat sich beispielsweise gegen die Steine und für Gedenktafeln zur Erinnerung an in der NS-Zeit ermordete Juden entschieden. Hier wurde im Stadtrat kritisiert, dass mit den Stolpersteinen nicht nur Juden, sondern auch Homosexuellen, Sinti und Roma, politischen Gegnern und Euthanasieopfern gedacht werden soll. Auf der Gerolzhofener Gedenktafel sind aber nur Namen jüdischer NS-Opfer aufgeführt.
Ein bisher einmaliger Fall der Ablehnung der Stolpersteine ereignete sich in Schonungen (Lkr. Schweinfurt). Hier beantragte Sammy Golde für seine Vorfahren zwei Steine. Der Gemeinderat entschied, falls man Goldes Antrag genehmige, auch an die anderen Opfer erinnern zu wollen. Da das aber vor den ehemaligen Wohnsitzen nicht möglich war – entweder gab es vor den Häusern keinen Gehweg, in den man die Gedenksteine hätte einlassen können, oder die jeweiligen Hausbesitzer waren nicht begeistert, täglich an die Geschichte ehemaliger Bewohner erinnert zu werden –, schlug der Stadtrat vor, Steine für alle NS-Opfer an einem Ort zu verlegen. Das wiederum wollte der Künstler Gunter Demnig nicht, weil er dem Prinzip, die Steine nur vor dem letzten freigewählten Wohnsitz der NS-Opfer zu verlegen, treu bleiben möchte. 'Ich habe noch nie gehört, dass ein Antrag für Steine, die an Vorfahren erinnern sollten, abgelehnt wurde', erzählt die Historikerin Elisabeth Böhrer, die sich bereits viel mit den Stolpersteinen beschäftigt hat.
Als erste Gemeinde in Unterfranken hat sich Ostheim vor der Rhön für die Stolpersteine entschieden. Hier wollte man zunächst eine Gedenktafel für jüdische Mitbürger an einem Haus anbringen. Der Hausbesitzer hatte aber Angst, dass sein Wohnsitz beschädigt werden könnte, und so entdeckte der Stadtrat die Stolpersteine als eine Alternative und ließ am 9. November 2003 – drei Jahre nach der ersten amtlichen Verlegung von Stolpersteinen in Köln – die ersten Steine verlegen." 
  
Juni 2010: Zum Besuch des Nobelpreisträgers Jack Steinberger am Ort seiner Vorfahren    
Hinweis: ein weiterer Bericht zu diesem Besuch findet sich auf der Seite zu Bad Kissingen unter "Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte".
Schonungen PA 062010a.jpg (61159 Byte)Foto links von Josef Schäfer: Eintrag ins Goldene Buch: Nobelpreisträger Jack Steinberger (links) mit Bürgermeister Kilian Hartmann. Elisabeth Böhrer (hinten) führte Steinberger und dessen Familie am Mittwoch durch Schonungen. 
Artikel in der "Main-Post" vom 16. Juni 2010 (Artikel; nachstehend - kursiv - wurden einige Angaben des Presseartikels auf Grund von Hinweisen Elisabeth Böhrers korrigiert): "SCHONUNGEN - Nobelpreisträger sucht seine Wurzeln
Physiker Jack Steinberger besuchte am Mittwoch Schonungen, den Geburtsort seines Vaters. 

Das Aufheben um seine Person ist Jack Steinberger eigentlich gar nicht recht. Und als Schonungens Bürgermeister Kilian Hartmann seine herzlichen Begrüßungsworte mit dem Hinweis schließt, man müsse dankbar sein für das, 'was Sie für die Menschheit geleistet haben', erhebt er offenen Widerspruch. Der Nobelpreisträger aus den USA sagt: 'Die Menschheit hat es mir ermöglicht, mich mit der Physik zu amüsieren, und ich bin sogar dafür bezahlt worden.'
Steinberger (89) besucht derzeit seine Geburtsstadt Bad Kissingen und ist am Mittwoch nach Schonungen gekommen, wo sein Vater als eines von acht Kindern eines Viehhändlers geboren worden ist und der später Kantor der jüdischen Gemeinde im Kurbad war. Jack Steinberger will an diesem Tag seiner Frau, seiner Tochter, seinem Sohn, der Schwiegertochter und zwei Enkelkindern die Gegend zeigen, in der er bis zu seiner Auswanderung 1934 gelebt hat. Und wo sein Großvater herstammt, den er nie kennen gelernt hat. Zum Programm gehört auch ein Besuch des Friedhofs in Kleinsteinach, auf dem früher Schonunger jüdischen Glaubens beigesetzt worden sind.
In Schonungen war Jack Steinberger als Sechsjähriger einige Zeit auf Verwandtenbesuch. Wie er beim Empfang von Bürgermeister Hartmann erzählt, hat er eine Szene noch heute im Kopf: Tagtäglich sind die Gänse die Steinach entlang zum Main getrieben worden. Und Freunde aus Bad Kissingen, die die Familie bei ihrem Besuch im Fränkischen begleiten, erläutern den Steinberger-Nachfahren, wie sich früher das Leben auf dem Land zugetragen hat. Eben zumeist in kleinen Bauernhöfen.
Elisabeth Böhrer, die derzeit intensiv die jüdische Vergangenheit der Gemeinde erforscht, hat sich in den vergangenen Monaten besonders mit dem Werdegang der Familie Steinberger befasst. Und so hört Jack Steinberger verwundert, dass das Geburtshaus seines Vaters bis 1940 als Besitz der Steinbergers geführt worden ist: 'Da waren doch gar keine Juden mehr da.' Das Gebäude (sc. es war nicht das Haus Steinberger, sondern weitere Räume auf dem Gelände), das als Treff der Hitlerjugend und danach als Milchsammelstelle und Jugendheim gedient hat, ist 1994 abgerissen worden. An seinem Platz steht heute die Filiale der Sparkasse.
Im Rathaus präsentiert Böhrer einen Originaleintrag in einem Schonunger Gemeindebuch, in der Steinbergers Vorfahren im Jahr 1800 belegt sind. Sie hat zudem Hinweise darauf, dass sich der Stammbaum gar bis zum Jahr 1699 zurückverfolgen lasse. Eine Kopie einer Urkunde aus dem Staatsarchiv gibt sie Steinberger mit.
Hartmann hat das Goldene Buch der Gemeinde mitgebracht. Auf die Bitte zur Unterschrift deutet Steinberger, dessen Deutsch noch einen leichten fränkischen Zungenschlag hat, auf seinen Sohn Ned: Der sei doch viel berühmter als er selbst; die E-Gitarren und -Bässe, die er herstellt, seien weltweit bekannt. Dennoch kommt Steinberger der Bitte nach und verewigt sich in dem Werk. Dabei wundert er sich, dass die blütenweiße Seite mit seiner Signatur erst später und dann auch noch per Hand entsprechend gestaltet wird (sc. war aus Zeitgründen vorher nicht möglich).
Anschließend bricht der 89-Jährige mit seiner Familie und Elisabeth Böhrer als sachkundige Informationsquelle zum Rundgang durch den Ort auf, um sich die früheren Schauplätze jüdischen Lebens zu betrachten. Ohne Medienbegleitung. Ohne Gemeindevertreter. Ganz privat und ohne viel Aufhebens." 
 
Juli 2010:  Evangelischer Pfarrer mahnt Verantwortung an    
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 21. Juli 2010 (Artikel): 
"SCHONUNGEN. Gedenktafel statt Stolpersteine. Evangelischer Pfarrer mahnt Verantwortung an.   
Es kommt Bewegung in die Diskussion um die gescheiterte Verlegung von so genannten Stolpersteinen, die an im Holocaust getötete jüdische Einwohner Schonungens erinnern sollen. Die evangelische Kirchengemeinde stellt 'hiermit einstimmig den Antrag an den Gemeinderat', eine Gedenktafel mit den Namen aufzustellen. Dies hat Pfarrer Bernard Vocke der Gemeinde geschrieben und den Brief im Mitteilungsblatt der Christuskirche veröffentlicht. Als Standort schlägt er den bestehenden Gedenkstein gegenüber der ehemaligen Synagoge in der Bachstraße vor. Dort sollen dann auch Geburts- und Todesdaten sowie die Sterbeorte verzeichnet werden, ähnlich wie es auch der Künstler Gunter Demnig für seine Stolpersteine vorsieht. 
Als Vergleich zieht Vocke eine Fotomontage heran, die diese Zeitung bei der Berichterstattung über das gescheiterte Stolperstein-Projekt im Mai verwendet hatte. 
Vocke bittet die Gemeinde 'eindringlich' darum, den Vorschlag der Kirchengemeinde 'nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern tatkräftig und entschlossen anzugehen'. Er begründet den Vorstoß damit, dass man die Geschichte nicht beschönigen oder verschweigen dürfe, sondern dass man sich ihr stellen müsse. Bei der 'unbefriedigenden Situation' nach dem gescheiterten Stolperstein-Projekt dürfe es nicht bleiben. 
Mehrere Privatpersonen hatten vor Monaten beantragt, acht Steine vor Häusern ehemaliger jüdischer Einwohner in den Gehwegen einzulassen, wie es in über 500 Städten und Gemeinden bereits geschehen ist. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hatte sich der Gemeinderat aus mehreren Gründen dagegen ausgesprochen: In einem Fall gebe es keinen Gehsteig, in einem anderen sei das Umfeld nicht würdig genug, hieß es. Offenbar aber wollte man nicht gegen den Willen der heutigen Hauseigentümer vorgehen. Einen Kompromissvorschlag lehnte Künstler Demnig ab." 
  
Schonungen Brief KV 201007.jpg (181584 Byte)Links: Brief des Kirchenvorstandes der Evangelischen Christuskirche Schonungen - unterzeichnet von Pfarrer Bernhard Vocke an Herrn Bürgermeister Kilian Hartmann und den Gemeinderat Schonungen vom 22. Juni 2010.   
Aus: Evangelischer Gemeindebrief Christuskirche Schonungen Juli-September 2010 S. 5 - Download über die Website dekanat-schweinfurt-evangelisch.de   
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.   
   
November 2010: Die auf den Gefallenendenkmalen fehlenden Namen der vier jüdischen Gefallenen sollen nachgetragen werden   
Artikel in der "Main-Post" vom 19. November 2010 (Artikel): "SCHONUNGEN. Vier jüdische Gefallene fehlen 
Unvollständige Liste auf Mahnmal – Gemeinde lässt Namen der Toten überprüfen.

Auf der Schonunger Gedenkstätte für die Opfer von Kriegen und Gewalt fehlen die Namen von vier im Ersten Weltkrieg gefallenen Schonungern. Sie alle waren Juden. Jetzt prüft die Gemeinde die Liste und will sie ergänzen lassen. Ohne großes Aufhebens. 
'Ich war überrascht', sagt Bürgermeister Kilian Hartmann. Negativ überrascht. Auf den Gedenksteinen für die Opfer von Kriegen und Gewalt im Alten Friedhof fehlen vier Namen von im Ersten Weltkrieg gefallenen Schonungern, alle jüdischen Glaubens. Angesichts der Diskussion um das gescheiterte Mahn-Projekt 'Stolpersteine', für das sich auch das ARD-Magazin 'Kontraste' interessiert, kommt diese Entdeckung für die Gemeinde zur Unzeit. Sie stellt nun weitere Nachforschungen an und will die Liste ergänzen.
Bei den 'Vergessenen' handelt sich um Isidor Steinberger, einem nahen Verwandten des in Bad Kissingen geborenen Physik-Nobelpreisträgers Jack Steinberger, sowie um Simon Rosenbaum, Simon Jakob Rosenbaum und Siegfried Stern. Einer der vier soll nicht bei Kampfhandlungen, sondern durch eigene Hand ums Leben gekommen sein. Entdeckt hatte den Missstand Elisabeth Böhrer, die in Schonungen die Historie der Steinberger-Familie und des jüdischen Lebens erforscht hat; sie hat ihre Kenntnisse auch der Gemeinde mitgeteilt.
Die Stelen im ehemaligen Leichenhaus des Alten Friedhofs an der Hofheimer Straße stammen aus dem Jahr 2001. Die Daten der Gefallenen des Zweiten Weltkriegs hatte im Vorfeld der damalige Vorsitzende der Reservistenkameradschaft, Artur Höhl, aufwändig recherchiert. Die der Toten aus dem Vorgängerkrieg habe man von einer über 80 Jahre alten Tafel aus der Alten Kirche übernommen, die heute als Kultur- und Veranstaltungssaal genutzt wird. 'Wir mussten davon ausgehen, dass die Namen stimmen', sagt Hartmann. Auch Höhl sagt heute, dass es keinen Zweifel an der Auflistung gegeben habe: 'Wir haben nicht nachgeforscht. Das haben wir nicht für nötig gehalten.'
Aber bereits auf der Kirchentafel fehlen jene vier jüdischen Gefallenen. Eine Erklärung könnte laut Böhrer sein, dass man die Namen nicht in einem christlichen Gotteshaus verewigt hat, weil Juden ihrer Gefallenen üblicherweise in ihrer Synagoge gedachten. 'In den vergangenen 80 Jahren hat keiner die Angaben angezweifelt', sagt Bürgermeister Hartmann.
Keine Spur in Ortschronik. Auch in der Ortschronik von Josef Ryba, die aus den 1960er Jahren stammt, sind in der Liste der dort aufgeführten 34 Gefallenen des Ersten Weltkriegs die vier jüdischen Einwohner der Gemeinde nicht berücksichtigt. Auch er könnte sich alleine auf die Tafel in der Alten Kirche verlassen haben. 
Vor drei Wochen hat sich der Gemeinderat darauf verständigt, dass die Namen nachgetragen werden sollen. Sofern der Platz ausreicht. Denn laut Hartmann ist die Verwaltung derzeit dabei, anhand des Archivs die komplette Liste der im Ersten Weltkrieg gestorbenen Soldaten aus Schonungen zu recherchieren. Dabei seien zusätzlich (christliche) Personen aufgetaucht, die bislang nicht erfasst sind: Die Gemeinde geht derzeit von weiteren drei Namen aus. Man müsse eine Lösung finden, sollte der Platz für die Gravuren nicht ausreichen, so Hartmann.
Allerdings scheut das Rathaus offenbar eine öffentliche Debatte: Wie schon beim Stolperstein-Projekt vor einigen Monaten hat der Gemeinderat das Thema hinter verschlossenen Türen behandelt. Hartmann sagte gegenüber dieser Zeitung, dass man gleichzeitig den Auftrag für die Ergänzungen habe vergeben wollen – das geschehe nicht öffentlich. Hätte man die Diskussion und die Auftragsvergabe getrennt, 'hätten wir die Besucher vor die Tür schicken müssen'. Keineswegs wolle man die Öffentlichkeit ausschließen, argumentiert Hartmann: Man habe die Sache bekannt geben wollen, wenn der Auftrag erteilt ist. Also im Nachhinein. Zudem habe der Verwaltungsausschuss darüber beraten: Dieses vorberatende Gremium besteht aus den beiden Fraktionschefs sowie Bürgermeister und Stellvertreter. Auch diese Gruppe tagt nicht öffentlich."   
Ergänzender Hinweis März 2012: nach Mitteilung  der Gemeinde Schonungen vom 20.3.2012 wurden die auf den Gefallenendenkmalen fehlenden Namen der vier jüdischen Gefallenen inzwischen ergänzt.   
    
November 2010: ARD-Beitrag "Kontraste" vom 25. November 2010   
  
Schriftlicher Artikel (Link mit Video-Film):  "Keine Stolpersteine - wenn Kommunen das Gedenken blockieren 
Messingschilder auf Pflastersteinen mit den Namen jüdischer Opfer von NS-Verbrechen - bundesweit werden die so genannten Stolpersteine verlegt. Doch gerade im ländlichen Raum tut man sich schwer mit der Erinnerung. KONTRASTE hat eine Gemeinde in Bayern unter die Lupe genommen.
Kennen Sie die sogenannten Stolpersteine, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern? Viele hundert Orte und Gemeinden in Deutschland haben sich diesem 'Projekt gegen das Vergessen" schon angeschlossen. So sehen die Steine aus: Schauen sie mal. Das sind Pflastersteine, die mit Messing bezogen sind, eingraviert jeweils ein Name mit den Lebensdaten eines Menschen, der im Holocaust ermordet wurde. Verlegt werden die Stein dann, so wie hier bei einer Aktion kürzlich in Hannover, direkt vor dem Wohnhaus, in dem die Opfer zuletzt gelebt haben. Passanten stolpern also im wahrsten Sinne des Wortes über die Geschichte des eigenen Ortes. Mehr als 25.000 Stolpersteine wurden schon europaweit verlegt. Dennoch, so zeigen unsere Autoren Manka Heise und Chris Humbs, gibt es gerade in den ländlichen Regionen Deutschlands dagegen offensichtlich große Vorbehalte. 
KONTRASTE: 'Warum wäre es gerade schön, hier vor diesem Haus zwei Stolpersteine zu verlegen?' 
Sammy Golde: 'In meinem Fall, meine Familie hat hier über mehrere Generationen gelebt, die waren integriert in die Gesellschaft und da gibt es genug Informationen darüber. Und man hat denen das Leben genommen, man hat das Eigentum genommen, man hat die Würde genommen.' 
Hier auf dem Bürgersteig will der Münchner Sammy Golde gerne Stolpersteine verlegen, vor dem ehemaligen Wohnhaus der Rosenbergers, seinen Urgroßeltern. Zilly und Raphael Rosenberger lebten in der kleinen Gemeinde Schonungen im Norden Bayerns. Von hier aus wurden sie ins KZ Theresienstadt deportiert. Ein Jahr später waren sie tot. 
Im Ort respektierte man die Familie. Raphael Rosenberger war bei der Feuerwehr und Vertreter im Ortsvorsorge-Ausschuss. Sie betrieben ein Viehgeschäft. 
Ende der 30er Jahre wurden die Rosenbergers zwangsenteignet, ihnen das Haus genommen. Es ging in den Besitz des Schonunger Bürgers Oskar Mai über. Seine Tochter Maria lebt noch heute dort. Dass die Stolpersteine im Bürgersteig direkt vor ihrem Haus verlegt werden, das will sie nicht. 
KONTRASTE: 'Guten Tag, ich komme von der ARD. Und zwar habe ich erfahren, dass man hier eigentlich hier vor Ihrem Haus Stolpersteine hätte verlegen wollen. Und dann hat man mir gesagt, dass Sie das nicht so gerne wollten. Warum nicht?' 
Anwohnerin: 'Warum sollen wir immer daran erinnert werden, für was, was wir gar nichts dazu können? Ich weiß davon damals gar nichts. Ich bin da ja erst hinein geboren worden.' 
KONTRASTE: 'Was stört Sie jetzt konkret an den Stolpersteinen? Das erinnert ja erstmal an die Juden, wo die damals gelebt haben.' 
Anwohnerin: 'Meine Güte, jetzt ist das schon so lang her. Sollen wir denn ewig denn daran erinnert werden, alle Nachkommen und noch die Nachkommen? Im Nachhinein. Also, machen Sie bitte die Tür zu.' 
KONTRASTE: 'Machen wir.' 
Mit dem ehemaligen jüdischen Leben im Ort scheint man grundsätzlich ein Problem zu haben. Die kleine Synagoge von Schonungen – verwüstet während der sogenannten Reichkristallnacht – wurde nach dem Krieg zuerst in eine Garage und dann Stück für Stück zu einem Wohnhaus umgebaut. 
So passt es ins Bild, dass es auch keine öffentliche Diskussion gab, ob nun Stolpersteine in der Gemeinde verlegt werden sollen oder nicht. Stattdessen wurde in einer nicht-öffentlichen Gemeinderatssitzung abgestimmt. Gegen die Stolpersteine. 
Die offizielle Begründung für das Nein: bauliche Mängel. So fehlt – angeblich - vor diesem Haus ein ordentlicher Gehsteig, wo die Stolpersteine verlegt werden könnten. Das zumindest führt der Bürgermeister als zentrales Argument an – und quält sich dabei, das zu erklären. 
Kilian Hartmann (CSU), Bürgermeister Schonungen 
'Vor einem Anwesen existiert kein Gehsteig und in einem anderen Bereich ist das Umfeld, das bauliche Umfeld, nach unserer Auffassung wirklich nicht geeignet, Stolpersteine zu verlegen.' 
Das Haus sei angeblich zu unrenoviert, um zu erinnern. Da man beschlossen hatte, Stolpersteine entweder vor alle vier Häuser zu setzen, in denen ermordete Juden gelebt haben, oder vor keines, lautete letztlich das Ergebnis: gar keine Stolpersteine. 
Klaus Reimann von der SPD sitzt mit im Gemeinderat. Auch er stimmte gegen die Verlegung. Er benennt die wahren Gründe der Ablehnung ohne Umschweife. 
Klaus Reimann (SPD), Gemeinderat Schonungen 
'Da haben wir halt gemeint, dass die Idee, einen Stolperstein direkt vor irgendein Haus zu setzen, in dem Menschen wohnen, die halt mit der ganzen Geschichte, ich sage halt jetzt Geschichte als Vergangenheit, nichts mehr zu tun haben, dass das wahrscheinlich die Bewohner überfordern würde.' 
KONTRASTE: 'Warum haben Sie gedacht, dass das die Bewohner überfordern könnte?' 
Klaus Reimann (SPD), Gemeinderat Schonungen 
'Naja, stellen Sie sich mal vor, Ihre Eltern wohnen in einem Haus und Sie erben dieses Haus. Und dann kommt irgendwann mal jemand und sagt: ‚Ey, da hat vielleicht…, habt Ihr das nicht so erworben, was war denn da damals, wie haben das Ihre Vorfahren erworben?‘ Und das war halt so der Gedanke.' 
Eventuelle Fragen, wie man zu seinem Besitz gekommen ist, sollen in Schonungen nicht gestellt werden. Und damit steht Schonungen exemplarisch für die meisten Gemeinden und Kleinstädte in Deutschland. 
Klaus Reimann (SPD), Gemeinderat Schonungen: 'Wir müssen halt auch an die Bevölkerung denken, an den Bewohner. Der ist nicht anonym für uns. Den kennt man." 
Nur 50 Kilometer entfernt: Kitzingen. Auch hier kennt man sich. Kitzingen zählt 20 000 Einwohner. Doch hier gibt es Stolpersteine. Inzwischen 54. Dieser erzählt die Geschichte der Mitbürgerin Lilli Willner – sie wurde zusammen mit ihren beiden kleinen Kindern ermordet. 
Dagmar Voßkühler wollte mit dieser Art des Gedenkens an das jüdische Leben erinnern und Bernd Moser, der damalige Bürgermeister, hat das Verlegen der Stolpersteine angeordnet. Trotz des Widerstands von Kitzinger Bürgern, trotz der Proteste von Hauseigentümern. 
Bernd Moser (SPD), Altbürgermeister Kitzingen 
'Da habe ich gesagt zu ihnen: ‚Sie können sich ihre eigene Geschichte nicht aussuchen. Sie sind Kinder aus dieser Stadt und auch aus diesem Haus. Und damit müssen sie leben. Sie müssen das für sich selbst verarbeiten.‘ Und das kann man nicht dadurch tun, indem man es also unterdrückt, sondern man muss sich damit aktiv auseinandersetzen.' 
Reden. Überzeugen. Im benachbarten Schonungen passiert das nicht. 
Sammy Golde wollte mit den Steinen nicht nur seiner Urgroßeltern gedenken und Menschen über diese konkrete Verbrechen mitten im Ort stolpern lassen - er wollte damit auch ein Signal der Versöhnung geben. Ein Signal, das man hier nicht erwidern möchte. 
Klaus Reimann (SPD), Gemeinderat Schonungen 
'Ich finde, Herr Golde müsste das einfach mal akzeptieren, dass es so gelaufen ist.' 
Es ist bemerkenswert, dass gerade dort der Schlussstrich gefordert wird, wo die Aufarbeitung noch ganz am Anfang steht. 
Autoren: Manka Heise und Chris Humbs."    
  
November 2010: Streit um Aufarbeitung der Geschichte und "Stolpersteine" bei einer Gemeindeversammlung     
Artikel in der "Main-Post" vom 1. Dezember 2010 (Artikel, nur teilweise zitiert): "SCHONUNGEN. Pfiffe für Aufruf, Geschichte aufzuarbeiten 
Schonunger Bürgerversammlung mit Reizthemen Stolpersteine und Resolution zur Kernkraft. 
 
 'Es muss möglich sein herauszufinden, wer in der Pogromnacht die Thorarolle aus der Synagoge . . .' Weiter kam der Mainberger Historiker Thomas Horling bei der Bürgerversammlung am Montagabend nicht. Sein Aufruf, die Geschichte der Nazi-Zeit in Schonungen aufzuarbeiten, ging in Pfiffen und 'Aufhören'-Rufen unter. Die Historie von 1933 bis 1945 gehörte in der Versammlung ebenso zu den Reizthemen wie die im Gemeinderat nicht behandelte Resolution zur Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.
Wolfgang Kuhn hatte wenige Tage nach dem ARD-Bericht über das gescheiterte Stolperstein-Projekt das Thema angeschnitten: Warum der Gemeinderat über die Verlegung der so genannten Stolpersteine, die in Erinnerung an im Holocaust ermordete Juden vor den letzten Wohnhäusern verlegt werden sollen, nicht öffentlich beraten hat. Bürgermeister Kilian Hartmann sagte, dass man zwischen öffentlichem Interesse und dem Datenschutz der heutigen Eigentümer der Häuser abzuwägen hatte; letzterem sei der Vorrang eingeräumt worden. Hartmann betonte, dass man an der Gedenkstätte gegenüber der ehemaligen Synagoge namentlich an die ehemaligen jüdischen Einwohner erinnern wolle.
In seinem couragierten Beitrag, den er erst nach Intervention Hartmanns zu Ende bringen konnte, forderte Horling eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Geschichte jenseits der Sonntagsreden. 'Die Täter hatten ein Gesicht – auch in Schonungen.' Es könne nicht angehen, dass Täter und Profiteure bis heute geschützt würden. Wer nachfrage, könne feststellen, dass es in jeder Familie Personen gegeben habe, die beteiligt gewesen sind.
Erst wenn man herausfinden wolle, wer in Schonungen Mitglied der SS gewesen ist und wer die Thorarollen aus der Synagoge geholt hat, mache man ernst mit der Auseinandersetzung mit der Geschichte, sagte Horling.
Ein anderer Redner machte deutlich, dass die Themen Juden und Kernkraft 'nicht hierher' gehörten. Das sah Magnus Lux anders...." 
Fortsetzung des Abschnittes zum Thema Kernkraft.    
  
Januar 2011: Persönliche Erinnerungsstücke an eine jüdische Familie in Schonungen   
Schonungen PA 012011p.jpg (7495 Byte)Foto links von Josef Schäfer: Vermächtnis der Großeltern: Rosemarie Reusch fühlt sich sich an das Versprechen ihrer Großeltern Maria und Karl Hussy gebunden, deren Bild sie in Händen hält. Sie passt heute noch auf Essgeschirr auf, das der jüdische Bekannte Siegfried Rosenbaum vor seiner Deportation und Ermordung 1942 ihrem Großvater zur Aufbewahrung übergeben hat.  
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 17. Januar 2011 (Artikel): 
"SCHONUNGEN - Ein Vermächtnis aus Porzellan. 
In der dritten Generation: Rosemarie Reusch bewahrt Tafelservice aus jüdischem Besitz auf.   

Rosemarie Reusch hält ein Vermächtnis ihrer Großeltern aufrecht: Es geht dabei um materiell kaum wertvolle Teller und Schüsseln; sie stehen aber als kleines Symbol für Mitmenschlichkeit in der Zeit der grausamen Nazidiktatur und für eine kleine Geste in dem so schwierigen Umgang mit der eigenen Geschichte, wie er sich heute noch in Schonungen zeigt.
Siegfried Rosenbaum hat in den Dreißiger Jahren in der Hofheimer Straße an der Ecke zur Bauerngasse gewohnt – eines der Häuser, vor denen 2010 die so genannten Stolpersteine verlegt werden sollten. Rosenbaum gehört der damals immer kleiner werdenden jüdischen Gemeinde an. Die Schikanen nehmen nach Machtübernahme der Nazis zu: Aus Vorurteilen und Verleumdungen wächst Hass, aus Ausgrenzung wird offene Verfolgung, die schließlich im technokratisch organisierten Massenmord mündet. 
In diesem Klima hat Rosenbaum einen Entschluss gefasst: Er bringt ein Service der Familie zu Karl Hussy, der nur einen Steinwurf weiter die Straße hinunter wohnt. Porzellan aus einer Selber Manufaktur mit Rosenmuster. 'Heute wirkt es sehr altmodisch', bekennt Hussys Enkelin Rosemarie Reusch. Der Auftrag: Hussy soll das Tafelgeschirr verwahren. 'Beide haben sich von der Schule gekannt', erinnert sich Reusch. Ihre Großeltern gehören nicht der NSDAP an und 'mein Großvater galt als verschwiegener Mann'. Es muss eine Nacht- und Nebelaktion gewesen sein, die Teller, Schüsseln und eine Sauciere ein paar Häuser weiterzuschaffen. Denn sich offen als Judenfreund zu erkennen zu geben, ist auch für nichtjüdische Einwohner in dieser Zeit problematisch.
Warum Rosenbaum ausgerechnet Hussy ausgesucht hat, weiß Reusch nicht. Sie kann sich aber an den Nachbarn erinnern: Ein nicht sehr großer Mann mit einem großen gelben Stern auf dem Mantel. Dieses Symbol der Ausgrenzung, das Juden ab 1941 tragen müssen, hat sich der kleinen Rosemarie ins Gedächtnis gebrannt. Und beide Männer, so ihre Erinnerung an die Szene auf der Straße, als sie Rosenbaum das letzte Mal gesehen hat, haben sich über jenen Stern unterhalten. Zu diesem Zeitpunkt, so Reuschs Vermutung, muss das Geschirr bereits längst in der Hofheimer Straße die Häuser gewechselt haben. Denn in der Reichpogromnacht im November 1938 sind nicht nur Synagogen, sondern auch Privatwohnungen von Juden überfallen worden. Auch die von Siegfried Rosenbaum. Wie überall schlagen die Schergen dort alles kurz und klein.
Im Dunkeln liegt auch das Motiv Rosenbaums, das Geschirr jemandem zur Aufbewahrung zu überlassen. Hoffnung auf gesunde Wiederkehr? Rosenbaum wird am 22. April 1942 deportiert, und wahrscheinlich in Izbica ermordet.
In der Familie Hussy nimmt man seinen Wunsch ernst. Als Karl Hussy 1957 stirbt, übernimmt das Geschirr die Familie Werb. Nach deren Tod erhält es Tochter Rosemarie Reusch. 'Ich bin der Besitzer des Geschirrs, nicht der Eigentümer', macht sie deutlich, wie sie zu diesem Vermächtnis steht. Sie würde es daher dem rechtmäßigen Eigentümer übergeben. Allerdings ist diese Geschichte bislang so noch nie öffentlich erzählt worden.
Durchaus könnte es noch einen Nachfahren Rosenbaums geben: Einigen der Schonunger Juden ist vor Beginn des Holocausts die Ausreise aus Deutschland gelungen – darunter auch ein Sohn von Siegfried Rosenbaum, der – falls noch am Leben – inzwischen hochbetagt sein müsste.
In jedem Fall will auch Rosemarie Reusch das Service und das mit ihm verbundene Versprechen an die nächste Generation weitergeben. Denn auch Reuschs Kinder wissen von der Geschichte. Und Rosemarie Reusch ist sich sicher: 'Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es wegwerfen.'"    
 
März 2011: Siegfried Rosenbaum hat Nachfahren in den USA (ergänzender Artikel zum obigen Artikel vom Januar 2011)        
Foto links von Josef Schäfer: Historisches Erbe: Siegfried Rosenbaum hat 1942 kurz vor seiner Verschleppung durch die Nazis Karl Hussy (rechts) ein Tafelservice zur Aufbewahrung übergeben; dieses Vermächtnis hält Rosemarie Rusch aufrecht. Neu ist: Rosenbaum hat Nachkommen in den USA.   
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom März 2011 (Artikel): "SCHONUNGEN. Vier Generationen, ein Vermächtnis 
Schonungerin bewahrt Geschirr aus dem Besitz von Siegfried Rosenbaum auf: Er hat Nachfahren in den USA 

Offenbar gibt es rechtmäßige Erben eines Tafelservices aus jüdischem Besitz, das Rosemarie Reusch in der dritten Generation in Schonungen aufbewahrt. Siegfried Rosenbaum hatte es vor seiner Deportation 1942 Reuschs Großvater Karl Hussy zu treuen Händen übergeben (wir berichteten). Wie Elisabeth Böhrer, die die Geschichte der Schonunger Juden erforscht, nun herausgefunden hat, ist damals dem Sohn Rosenbaums die Flucht aus Deutschland gelungen: Seine Nachkommen leben in den USA.  
Kurt Goldsmith ist der Enkel von Siegfried Rosenbaum und Sohn von Kurt Rosenbaum. Böhrer hat er die Lebensgeschichte seines Vaters erzählt. In knapper Version, was die Umstände der Flucht Kurt Rosenbaums und den Aufbau einer neuen Existenz noch spannender erscheinen lassen. Kurt Rosenbaum war gerade mal zwölf Jahre alt, als er seine Eltern zurückließ, um den immer heftiger werdenden Drangsalierungen der Nazis zu entgegen. 'Er machte sich am 13. März 1939 am Würzburger Hauptbahnhof auf die Reise – mit einem einzigen Anzug als Kleidung.'
Zunächst kam er im belgischen Antwerpen unter. Als Deutschland im Mai 1940 auch dieses Nachbarland überfiel, floh das Kind nach Frankreich. Drei Monate verbrachte es in einem Kinderheim, bevor es per Eisenbahn bis nach Lissabon weiterreiste. Dort begann für Kurt Rosenbaum ein neues Leben: Als Nummer 34 auf der Passagierliste des Schiffs 'Mouzinho' ging es in die Neue Welt.
In New York, so beschreibt es sein Sohn Kurt Goldsmith heute, drückte man dem Buben einen Dollar in die Hand. Zum ersten Mal in seinem jungen Leben fühlte er sich reich: 'Er kaufte sich einen Kamm für fünf Cent.' Doch Rosenbaums Reise war noch lange nicht zu Ende. Nach einem Aufenthalt in einem Kinderheim ging es über mehrere Stationen weiter an die Westküste. Über zwei Jahre nach dem Start seiner Flucht in Würzburg kam er in Portland im US-Bundesstaat Oregon an.
Kurt Rosenbaum fand eine Arbeit als Hausgehilfe bei einem Anwalt namens Arthur Goldsmith, ebenfalls ein jüdischer Auswanderer. Kurt nahm als 17-Jähriger dessen Namen an und nannte sich seitdem Kenneth Rosenbaum Goldsmith. Er machte seinen Oberschulabschluss, kämpfte mit der US-Armee auf der japanischen Insel Okinawa. Danach besuchte er erfolgreich die Universität: Kenneth Goldsmith arbeitete schließlich als Betriebsprüfer für den Staat Oregon und gründete eine Familie. Am 29. Februar 1996 ist er 69-jährig gestorben. Dem jüngsten Sohn seiner vier Kinder hat er den Namen gegeben, den er selbst einmal getragen hat: Kurt.
Von der Geschichte des geretteten Geschirrs hat Kurt Goldsmith erst durch die Recherchen von Elisabeth Böhrer erfahren, die sie nach dem Bericht in dieser Zeitung in Israel und den USA aufgenommen hat. Als Rosemarie Reusch gegenüber dieser Zeitung diese Randnotiz der Schonunger Historie erstmals öffentlich erzählt hat, hatte sie auch geäußert, sie fühle sich nur als Besitzerin und würde das Service den rechtmäßigen Eigentümern zurückgeben. Kurt Goldsmith hat 2005 mit seinem Sohn Jason Schonungen besucht – von der Existenz des Tafelservices seiner Großeltern hat er damals nichts gewusst."   
 
April 2011: Mutige Hebamme stellt sich SA in den Weg     
Foto links aus dem Archiv von Elisabeth Böhrer: Eine beherzte Hebamme hat in der Pogromnacht 1938 den Schonunger Juden Siegfried Rosenbaum und dessen Familie beschützt. 
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 6. April 2011 (Artikel): 
"SCHONUNGEN. Mutige Hebamme stellte sich SA in den Weg 
Pogromnacht 1938: Zeitzeuge Rudolf Barthelmes erinnert sich, wie eine jüdische Familie beschützt worden ist. 
 
Wer hat während der Judenverfolgung der Nazizeit Schuld auf sich geladen und wer nicht? Wer hat mitgemacht und wer hat weggesehen? Noch 70 Jahre später lösen bei manchen solche Fragen Beklemmung, Kopfschütteln oder schlichte Verdrängung aus. Einer, der die Geschichte nicht vergessen will, ist Rudolf Barthelmes (83). Er erinnert sich als einer der letzten Zeitzeugen in Schonungen an die Pogromnacht von 1938, als die Wohnungen jüdischer Einwohner überfallen worden sind. Und er berichtet von einer mutigen Hebamme, die die Familie von Siegfried Rosenbaum vor Übergriffen beschützt hat. Das erklärt im Übrigen auch, warum Rosenbaums Tafelservice nicht zu Bruch gegangen ist, das Rosemarie Reusch in dritter Generation bis heute aufbewahrt (siehe Bericht oben).
Barthelmes ist im November 1938 elf Jahre alt, als die Ausgrenzung und Diffamierung von Juden ihren ersten schrecklichen Höhepunkt erfährt und landauf, landab Synagogen in Flammen aufgehen und jüdische Wohnungen verwüstet werden. Auch in Schonungen. Allerdings hat er dies nicht selbst gesehen, sagt Barthelmes im Gespräch mit dieser Zeitung, da er mit einem Freund unterwegs gewesen ist.
Erst als er von den Übergriffen hört, schaut er sich das Resultat an: 'Da hat ein Haufen Zeug vor der Synagoge gelegen.' Und Eier aus der Vorratskammer hatten die wildgewordenen Horden auf die Straße geworden. SA-Männer sollen es laut verschiedenen Quellen gewesen sein, zum Teil aus Schweinfurt. Barthelmes lächelt ein wenig gequält: Er weiß von Schonungern, die dabei waren. Einer ist von seinem Vater zur Rede gestellt worden: Unrechtsbewusstsein habe er nicht gezeigt.
Zuhause erfährt der elfjährige Rudolf, was sich bei ihm zugetragen hat. Die Familie Barthelmes hat im Obergeschoss des Hauses in der heutigen Hofheimer Straße 18 gewohnt, Siegfried und Frieda Rosenbaum im Erdgeschoss. Auch dort dringen die Randalierer ein, um ihr zerstörerisches Werk anzugehen. 'Sie haben eine Spardose der Rosenbaums aufgebrochen', erinnert sich Rudolf Barthelmes. Ein paar Pfennige beträgt die magere Beute. Weiter kommen die Eindringlinge aber nicht.
Ihnen stellt sich eine Hebamme in den Weg, von der Barthelmes nur den Nachnamen Karl kennt. Seine Mutter Amalie Barthelmes, damals 32 Jahre alt, ist hochschwanger, bringt vier Wochen später ein Mädchen zur Welt. 'Meine Mutter war sehr erregt', blickt Barthelmes zurück. Die mutige Geburtshelferin macht den Männern deutlich, dass sie keine Aufregung für die Schwangere dulden wird. Tatsächlich: Die Meute zieht unverrichteter Dinge weiter. 'Daher ist das Haus verschont worden', weiß Barthelmes. Und dass es danach eng geworden ist in der Hofheimer Straße 18: Jüdische Schonunger haben nach der Verwüstung ihrer Häuser Zuflucht bei den Rosenbaums gesucht, weil deren Wohnung heil geblieben war.
Heute noch ist Barthelmes erbost über die Ereignisse. Wie kann man andere Menschen hassen 'nur wegen des Glaubens', fragt er sich. Für ihn als Elfjährigen ist es ganz normal, mit dem ein Jahr älteren Kurt, dem Sohn der Rosenbaums, befreundet zu sein: 'Wir haben miteinander gebastelt und gespielt wie andere Kinder auch.'
Durch den Einsatz der Hebamme ist auch geklärt, warum jenes Geschirr im Besitz von Rosemarie Reusch unversehrt geblieben ist. Ihrem Großvater hatte Siegfried Rosenbaum das Service zur Aufbewahrung übergeben. 'Seine Hoffnung war immer, er kommt zurück', weiß Barthelmes' Neffe Alfred Simm aus Erzählungen. Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen: Rosenbaum ist deportiert und wahrscheinlich 1942 im Raum Lublin ermordet worden; ein Jahr zuvor war seine Frau Frieda in Würzburg gestorben.
Kurt Rosenbaum dagegen ist die Flucht gelungen: Nicht einmal ein halbes Jahr nach der Pogromnacht hat er sich im Alter von zwölf Jahren auf den Weg in die USA gemacht – mit einem Koffer in der Hand. 'Ich habe gar nicht mitbekommen, als er weggegangen ist', erinnert sich Barthelmes. In der Neuen Welt nennt sich Kurt Rosenbaum künftig Kenneth Goldsmith und gründet eine Familie. Und er sucht den Kontakt zu Amalie Barthelmes in Schonungen. 1975 kommt es zum ersten von zwei Wiedersehen zwischen ihm und Rudolf Barthelmes. 'Ein freundschaftliches Treffen', wie der Schonunger sagt.
Inzwischen hält Kenneths Goldsmiths Sohn Kurt den Kontakt nach Schonungen; jüngst veranlasst durch die Veröffentlichungen dieser Zeitung. Kurt Goldsmith kennt die Schonunger Ereignisse aus den Erzählungen seines Vaters, auch wenn in dessen Überlieferung von der Familie Barthelmes als mutige Beschützer die Rede ist. 'Nein, das war die Hebamme', sagt Barthelmes. Am Schluss erklärt er seine Motivation, warum er die Geschichte erzählt: 'Ich hoffe, dass auch die nächsten Generationen weitermachen – ohne Krieg.'"     
 
April 2012: Einweihung eines Denkmals für die aus Schonungen deportierten Juden   
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 22. April 2012: "Theilheim / Schonungen. 'Der Antisemitismus ist nicht tot'. Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Deportation jüdischer Einwohner. Mahnmal in Schonungen..." 
Link zum Artikel      
 

     
     

Links und Literatur 

Links:   

bulletWebsite der Gemeinde Schonungen      

Literatur:  

bulletJosef Ryba: Schonungen - Geschichte eines fränkischen Dorfes. 1966.  
bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 396-397.
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 109.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 576-577.
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 194-195.  

    
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Stand: 30. Juni 2020